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Gemobbt und ausgebrannt

von Birgit Oberwalder

 

Nichts geht mehr. Die Leistungsfähigkeit ist gleich Null, erdrückende Hoffnungslosigkeit, Schlafstörungen bis hin zu Depressionen. Jeder zehnte österreichische Arbeitnehmer (10,4 %) ist laut der neuesten Studie vom Institut für Psychologie der Universität Graz in Zusammenarbeit mit dem research team und der "Presse", schwer Burn-out-gefährdet. Die leistungsorientierte Arbeitsgesellschaft fordert ihren Tribut. Ausgebrannt, gemobbt und unfähig Leistung zu erbringen, bleiben viele Arbeitnehmer auf der Strecke.

 

Insgesamt1469 Personen beantworteten den Fragebogen zur Arbeitszufriedenheit. Interessante Ergebnisse wurden im Bereich von Burn-out, Mobbing, Krankheit und Alter festgestellt. Besonders oft gaben die Befragten an (62,6 %!), dass sie im Vorjahr mindestens einmal arbeiten gegangen sind, obwohl sie krank waren und fast jeder vierte Österreicher ging sogar mehrmals krank arbeiten. Was unter anderem daraus resultiert ist, neben psychischen, physischen und sozialen Problemen, eine geringe Zufriedenheit mit den Bemühungen des Unternehmens um seine Mitarbeiter.

Arbeitszufriedenheit

Arbeit macht einen entscheidenden Teil unseres Lebens aus. Ob wir dabei zufrieden sind wirkt sich bedeutend auf die Leistung, die körperliche und psychische Gesundheit und auf das allgemeine Befinden aus. Die wichtigste Ressouce in einem Betrieb ist der Mensch. Soll er gut "funktionieren" müssen die Umstände dementsprechend günstig sein. Soviel zur Theorie.
Zur Arbeitszufriedenheit tragen verschiedene Komponenten bei. In der eingangs erwähnten Studie wurden vor allem die Themen Mobbing, Burn-out, Krankheit und Alter betrachtet. Besteht eine Bindung des Mitarbeiters zur Firma, stimmt meistens die Arbeitszufriedenheit. Bindung an das Unternehmen wird dabei durch das Erleben von Sinn erreicht. Kommt es jedoch zu einem Sinnverlust, gekoppelt mit längerfristiger Belastung, führt dies zum Burn-out. Die Motivation sinkt und die Leistungsfähigkeit nimmt ab. Das Verlassen der Firma ist vorprogrammiert.

Was ist Burn-out?

Zuerst ist das Engagement groß. Alles wird daran gesetzt, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Der Idealismus und die Vorsätze treiben vorwärts. Was anfangs recht gut verläuft, steigert sich ins Unermessliche. Erholung oder Entspannungsphasen gibt es nicht. Alles dreht sich nur noch um die Arbeit, aber diese ist bald nicht mehr zu bewältigen. Der Erfolg stagniert und es wird kein Fortschritt mehr erzielt. Dies geht meist soweit, dass sich eher sogar Rückschritte bemerkbar machen. Dadurch entsteht große Frustration. Da sich die Situation meist nicht mehr bessert bzw. sogar noch verschlimmert, fällt der/die Betroffene in einen apathischen Zustand. Nun wird jede Kleinigkeit zur schier unüberwindbaren Hürde. Was früher so leicht und nebenbei erledigt wurde, ist kaum noch zu bewältigen.. Vermehrt macht sich Motivationsrosigkeit bemerkbar. Jedoch ist meist kein Einsehen in die verfahrene Situation vorhanden. Betroffene wollen/können nicht erkennen, warum sie sich zu nichts mehr antreiben könne, warum sie sich weder privat noch beruflich zu etwa aufraffen können und warum es mit der Gesundheit stetig bergab geht. Hält dieser Zustand an, ist man beim Burn-out angelangt, man ist abgebrannt, ausgelaugt, fertiggefahren.

Burn-out ist "in"?

Laut der Studie der Universität Graz in Kooperation mit dem research team und der "Presse" ist jeder zehnte österreichische Arbeitnehmer (10,4%) schwer und 16,4 % leicht Burn-out gefährdet. Das auffällige an diesem Ergebnis ist auch die Tatsache, dass nicht sosehr die Führungskräfte betroffen sind, sondern vielmehr Mitarbeiter ohne Führungsposition (so galt Burn-out noch in den 70ern als typische Managerkrankheit). Weiters wurde auch festgestellt, dass Männer stärker gefährdet sind als Frauen.

Burn-out ist also keine Seltenheit mehr und trotzdem gehört diese Krankheit zu den Tabuthemen der heutigen Zeit. Von Mitarbeitern wird neben fachlicher Qualifikation vor allem hohes Engagement und Begeisterungsfähigkeit verlangt. Überstunden, Stress und Leistungsdruck definieren die Arbeitswelt. Die Folgen im beruflichen und privaten Bereich sind gravierend. Der österreichische Managementcoach Günter Spiesberger warnt vor der Firmenstrategie "Ersatz-Familie". Diese fordert vom Mitarbeiter, die Firma als so etwas wie die "eigene Familie" anzuerkennen. Die eigentliche Familie wird/soll ersetzt/werden. Damit ist die vollständige Identifikation mit den Firmenzielen, Aufopferungsbereitschaft und Unterordnung der eigenen Persönlichkeit den Firmenzielen verbunden. Das Resultat: Burn-out.

Mobbing

Ein weiteres häufiges Hindernis auf dem Weg zur Arbeitszufriedenheit ist Mobbing. 5,5 Prozent der Arbeitnehmer sind laut der Studie derzeit betroffen. Bis zu einem Viertel aller arbeitenden Menschen hat jedoch schon mindestens einmal in der derzeitigen Arbeitsstelle Mobbin erlebt.

Menschen die gemobbt werden, werden massiv bei ihrer Arbeit kritisiert, die Arbeitsbedingungen werden stark erschwert und es wird ständig Druck auf sie ausgeübt. Sie sind allen möglichen Schikanen und Intrigen ausgesetzt und erleben einen regelrechten Psychoterror am Arbeitsplatz. Folgend führt dies zu zunehmender Demotivation und das Engagement sinkt. Zur Arbeit gehen sie zwar trotzdem, jedoch ohne großen Einsatz zu zeigen. Hohe Fehlzeiten und schlechte gesundheitliche Verfassung sind nur zwei Folgen von vielen.

Mobbing erlaubt?

In Österreich gibt es (noch) kein Gesetz, das Mobbing grundsätzlich verbietet. Mobbing ist als solches also nicht als Strafbestand angesehen. Die einzige rechtliche Möglichkeit besteht hier darin, auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (ABGB §1157 und § 18 AngG) zu plädiert. Kommt es im Zuge von Mobbing zur Verletzung des Gleichbehandlungsgesetzes oder wird gegen das Strafgesetz verstoßen, ist eine Strafe oder Schadensersatzanspruch für den Täter möglich. Leider ist Mobbing nicht immer eindeutig zu erfassen, da die Verletzung des Gleichbehandlungsgesetzes oder des Strafgesetzes erst nachgewiesen werden muss, was vor allem bei ersterem nicht immer einfach ist. Hänseleien mit Anspielungen auf Rasse oder Religion und hinterlistige Intrigen lassen sich oft schwer anzeigen, ohne Gefahr zu Laufen in die Belanglosigkeit zu driften. Einfacher ist hier die Verletzung des Strafgesetzes nachzuweisen.

Der einfachste Weg zeigt sich jedoch in der betrieblichen Intervention bzw. Prävention. Darunter versteht man beispielsweise Aufklärung, gute betriebsinterne Infrastruktur gegen Mobbing (z.B. Vereinbarung für Fairness) und Beseitigung von betrieblichen Rollenkonflikten. Der Arbeitgeber nimmt hier eine wichtige Rolle ein und er hat die Aufgabe, den Opfer geeignete Informationen und Kontakte zukommen zu lassen. Letztendlich sollte der Arbeitgeber auch die Arbeitsgruppe, wo Mobbing stattfand, genauer betrachten - im eigenen Interesse.

Quelle: Die Presse, pressetext.at

 

 

Unser Kommentar: Burnout ist "in Mode" gekommen, die Zahl der Berichte über Zusammenbrüche, ja Selbstmorde im Kontext mit völliger Überforderung nimmt beängstigend zu. Jedoch nicht Voyeurismus (und die Freude darüber, dass es einen nicht selbst erwischt hat) sondern ein gesellschaftlicher Dialog über das Tabu persönlicher Leistungsgrenzen ist vonnöten. Die Individualisierungstendenz der Problematik führt zu deren Anstieg. So lange der Trugschluss "Selbst-Überforderung = Arbeitsengagement = gute Jobchancen = gutes Leben" von uns allen, und durch unsere eigene Beteiligung daran, weiter getragen wird, werde ich in meiner Praxis Sätze wie diesen hören: "Wenn man einen Herzinfarkt hat, dann wissen die Leute, dass man ordentlich geschuftet hat, bringen einem Blumen und loben und bestätigen einen. Wenn ich mit einer Burnout-Krise auf der Psychiatrie liege, dann ist das eher peinlich und niemand bringt Blumen." Ein Tabu wie dieses kann nicht von Einzelnen aufgehoben werden. Mobbing im Kontext mit Burnout-Erschöpfung ist oft eine Reaktion des Bezugssystems (des Teams oder der Arbeitsgruppe) als Reaktion auf eine Bedrohung von Außen. Durch den Zusammenbruch eines Teammitglieds werden ­ mit hoher Wahrscheinlichkeit ­ auch andere an ihren eigenen Erschöpfungszustand erinnert. Führungskräfte reagieren falsch, weil sie entweder selbst davon betroffen sind ­ und keine Lösung sehen ­ oder nicht wissen, wie man mit Erschöpfung im Teamkontext umgeht. Selbst wenn, in seltenen Fällen, Unternehmen versuchen, MitarbeiterInnen nach einer Erschöpfungs-Zwangspause wieder zu integrieren, gelingt dies selten. Zu oft wird erwartet, dass die Person, die meist nur mehr Teilzeit arbeitet, damit zurecht kommen müsse. Es bedarf oft der Begleitung durch ExpertInnen, um klar zu machen, dass Menschen, die ihren persönlichen Grenzen ins Auge blicken mussten, ihren Selbstwert und ihr Selbstvertrauen verloren haben, den Glauben an sich selbst erst langsam wieder erlernen müssen. Die Antwort im unternehmerischen Kontext ist Kulturveränderung. Aufräumen mit der Angst vor Grenzen und Erkennen, dass Menschen Ruhe und Erholung brauchen. Christina Maslach nennt Maßnahmen zur Förderung von Job Engagement als die Chance, aus diesem Kreislauf auszusteigen. Betriebliche Evaluierungen, wie sie z. B. an der Webster University in diesem Bereich durchgeführt werden, bestätigen diese Sichtweise.

Gabriele Kypta/www.kypta.at

 

Links:

Österreich-Befragung von Uni Graz, research team und der "Presse": http://www.psychologie.at/wissen/default.asp?bereich=4&newsid=1365&menu=news&detail=1

Pressetext: http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=061123023

Netzwerk BurnOutNet: www.burn-out.at

Burn-out bei Frauen: www.frauensache.at/thema/thema-burn.html

Arbeiterkammer:Mobbing: www.arbeiterkammer.at/www-192-IP-938.html

 

Literaturtipps:

Gabriele Kypta: Burnout erkennen, überwinden, vermeiden. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Christina Maslach und Michael P. Leiter: Die Wahrheit über Burnout. Stress am Arbeitsplatz und was Sie dagegen tun können. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Hans-Peter Unger und Carola Kleinschmidt: Bevor der Job krank macht. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Marie-France Hirigoyen: Die Masken der Niedertracht. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

 

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