„Elterliche Vorbilder - übergewichtige Gene“ von Simone Georgieva
Eltern sind Vorbilder für ihre Kinder, auch das Ernährungs-und Bewegungsverhalten betreffend. Inwieweit der BMI des gleichgeschlechtlichen Elternteils bzw. erbliche Determinanten eine Rolle für kindliches Übergewicht spielen, untersuchten britische Mediziner in einer aktuellen Studie. Die zunehmende Anzahl übergewichtiger Erwachsener und vor allem Kinder ist kein nationales Geheimnis und auch die Folgen von ernährungsbedingten Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Herzkreislauferkrankungen oder Krebs dürften mittlerweile den meisten Menschen bekannt sein. Dennoch bleibt der Aufwärtstrend auch trotz zahlreicher Präventions- und Aufklärungsprogramme bestehen. Daher sind Untersuchungen, die Aufschluss über die Ursachen von Übergewicht bieten insbesondere wichtig, um nach erfolgsversprechenden Ansatzpunkten für Interventionsprogramme zu suchen. Elena M Perez-Pastor forschte gemeinsam mit anderen britischen Medizinern der Peninsula Medical School nach der Ursache von kindlichem Übergewicht. Anstoß, eine Studie zu dieser Thematik durchzuführen, war für die Forscher neben der stetigen Zunahme der Problematik bei Kindern, die viel diskutierte Anlage-Umwelt-Kontroverse, also die Frage, inwieweit Übergewicht durch genetische Faktoren oder das Umfeld bestimmt wird. Anlage-Umwelt In vielen Studien, in denen man bisher nach Einflüssen von kindlichem Übergewicht suchte, wurden beide Elternteile mit ihren Kindern verglichen. In der aktuellen Untersuchung der britischen Forscher wurde der BMI (Body-Maß-Index) der Kinder nicht nur mit jenem beider Eltern, sondern auch gesondert mit dem gleich- und gegengeschlechtlichen Elternteil abgeglichen. Insbesondere wollten die Mediziner herausfinden, ob ein Zusammenhang zwischen väterlichem BMI und dem BMI der Söhne besteht bzw. zwischen dem BMI der Mütter und Töchter. Dieses Vorgehen sollte es ermöglichen, genetische Faktoren und umweltbezogene Ursachen von Übergewicht weitgehend getrennt voneinander zu untersuchen. Insgesamt nahmen 226 Familien aus Plymouth (UK) an der Studie teil. 125 der teilnehmenden Kinder waren Söhne und 191 Töchter aus den beiden Jahrgängen 1995 und 1996. Als die Kinder fünf Jahre alt waren, wurde der BMI der Eltern bestimmt. Die Messung erfolgte direkt, um Verfälschungen vorzubeugen, da Frauen bei Selbstberichten dazu neigen ihr Gewicht zu unterschätzen und Männer ihre Körpergröße gerne überschätzen. Bei den Kindern erhob man das Geburtsgewicht und viermal jährlich, als die Kinder im Alter zwischen fünf und acht Jahren alt waren den BMI. Wie der Vater so der Sohn, wie die Mutter so die Tochter Von den Müttern waren 32 Prozent übergewichtig und 19 Prozent fettleibig. Bei den Vätern hatten 48 Prozent einen zu hohen BMI und 22 Prozent fielen in die „Kategorie fettleibig“. Zwischen dem Gewicht der Eltern bestand kein nennenswerter Zusammenhang. Wenn der Vater korpulenter war, so implizierte dies also nicht, dass auch die Mutter mehr wog und umgekehrt. Anders verhielt es sich beim BMI der Eltern und Kinder. Diesbezüglich konnten sehr wohl Zusammenhänge gefunden werden: 18 Prozent der Söhne übergewichtiger Väter und 41 Prozent der Töchter übergewichtiger Mütter brachten ebenfalls zu viele Kilos auf die Waage. Mädchen hatten somit ein bis zu zehnmal höheres und Buben ein bis zu sechsfach höheres Risiko zu viel zu wiegen, wenn der gleichgeschlechtliche Elternteil einen zu hohen BMI aufwies. Im Gegensatz dazu waren lediglich 3 Prozent der Söhne normalgewichtiger Väter und 4 Prozent der Töchter normalgewichtiger Mütter übergewichtig. Interessanterweise konnte kein geschlechtsübergreifender Zusammenhang von „Dickleibigkeit“ festgestellt werden. Die Fettleibigkeit der Mutter hatte also keinen Einfluss auf den Sohn, ebenso wenig wie jene des Vaters auf die Tochter. Zeit zu schrumpfen Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass vielmehr verhaltensbezogene als genetische Faktoren der Schlüssel zum Verständnis von Übergewicht sein könnte. Töchter scheinen ihre Mütter und Söhne ihre Väter als Vorbilder für Essens- und Lebensgewohnheiten heranzuziehen und deren Verhalten nachzuahmen. Eine selektive Weitergabe von Erbmerkmalen von Vater zu Sohn und Mutter zu Tochter ist laut Forschern aus verschiedensten Gründen eher unwahrscheinlich, wobei erbbedingte Faktoren natürlich dennoch nicht ausgeschlossen werden können. Für Interventions-und Präventionsmaßnahmen sind die Ergebnisse der Studie zuträglich, da auf Verhaltensebene Veränderungen im Gegensatz zu „Manipulationen“ des Erbguts gut möglich sind. Die Forscher sehen die Ursache für die Zunahme von kindlichem Übergewicht primär als Konsequenz der steten Gewichtszunahme der Eltern an. Untersuchungen haben gezeigt, dass 80 Prozent der übergewichtigen Erwachsenen als Kinder noch nicht zu dick waren, und es keine eindeutigen Belege dafür gibt, dass vorbeugende Maßnahmen in der Kindheit Übergewicht im Erwachsenenalter verhindern. Die Forscher der Studie erachten es daher als sinnvoll, mit Präventionsmaßnahmen primär bei den Eltern anzusetzen, bzw. formulierte es Professor Mike Lean von der University of Glasgow in einem Artikel zur Studie folgendermaßen: „Es ist Zeit die Eltern zu schrumpfen“. Quelle: Peninsula Medical School
Unser Kommentar: Neben vielen bekannten Ansatzpunkten, woher denn Übergewicht bei Kindern kommen könnte (zuviel zuckerhaltige Getränke, fettreiches Essen, mangelnde Bewegung usw.), ist diese Untersuchung eine durchaus interessante Erweiterung. Eine Erweiterung dahingehend, dass Übergewicht in einer Familie sehr oft nicht nur eine Person, sondern meist mehrere Familienmitglieder betrifft. Über die genetische Veranlagung zu Übergewicht wurde und wird ja schon viel diskutiert - hier einen Sozialisationsaspekt dazuzubringen erscheint mir als ein Schritt in die richtige Richtung: Nur wenn die Eltern "mitspielen" haben ihre Kinder Chancen, ihr Körpergewicht zu reduzieren bzw. zu halten - und wenn durch diese Untersuchung die Vorbildfunktion der Eltern auch im Bereich Essen und Essverhalten durh Studien belegt ist, erhöht das vielleicht doch die Motivation vieler Eltern, durh ein eigenes "Schrumpfen" ihre Kinder bei diesem Prozess zu unterstützen. Simone Georgieva/Zentrum Rodaun
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Literaturtipps: Petra Grau, Erik Dinges, Heinz-Lothar Worm: Übergewichtige Kinder: Ursachen und Folgen. Prävention und Behandlung. Bestellmöglichkeit bei amazon.at! Martin Seyer: Gesellschaftsproblem Übergewicht und Adipositas: Psycho-sozial bedingte Fettsucht/Fettleibigkeit als Schatten stetiger Modernisierungsprozesse unserer Gesellschaft. Bestellmöglichkeit bei amazon.at! Joachim Barnstorf, Burkhard Jäger: Zum Dicksein verdammt?: Ursachen der Adipositas und Gründe der relativen Therapieresistenz. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!
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