Checkliste für getrennt lebende Eltern
Scheiden tut weh, vor allem den Kindern, wenn Eltern nicht sehr
rasch zu einer neuen, für alle lebbaren Form des Umgangs miteinander
finden. Im Vorjahr wurden 18.512 Ehen geschieden und 20.910 Kinder
mussten erleben, wie ein Elternteil auszog.
Das Grazer Institut für Familienerziehung hat mit Unterstützung
des KURIER jetzt eine Checkliste für getrennt lebende Eltern aufgelegt,
die helfen soll, zu überprüfen, ob das Elternverhalten aus pädagogischer
Sicht für das Kind günstig ist. Zu bestellen unter Tel.: 0316
/ 38 6210 oder im KURIER Tel.: 01 / 52 100 / 2788. "Die Checkliste
enthält Fragen, die im Verlauf einer Trennung aktuell werden.
Die Antworten darauf sind nicht immer leicht, vor allem wenn man
selbst betroffen ist", sagt Institutsleiterin Helga Baumann. "Eltern
sind gekränkt und verletzt, brauchen Abstand und Distanz. Bei
Kindern ist es genau umgekehrt. Sie wollen den Kontakt zu beiden
Eltern." In dieser anstrengenden Phase sollten Eltern nicht vergessen,
dass es trotzdem leichter ist, sich vom Partner zu trennen, als
sich von einem Elternteil zu trennen."
Darum brauchen Kinder möglichst rasch ganz klare Entscheidungen.
Sie wollen sicher sein, dass sie weiterhin beide Eltern haben
und sehen dürfen, obwohl diese jetzt getrennt und womöglich mit
neuen Partnern leben. Die oberste Elternregel lautet: Sich als
Vater und Mutter nicht gegenseitig abwerten. Also nicht vor dem
Kind über den oder die Ex herziehen, denn das Kind macht sich
sein eigenes, inneres Bild mit positiven und negativen Gefühlen.
Trennungsreaktionen wie Trauer, Angst, Schuldgefühle, Unsicherheit,
Aggression beim Kind sind normal. "Das Kind hat auch ein Stückchen
Leid mitzutragen. Aber das hält es aus, wenn der Kontakt zu Vater
und Mutter offen bleibt."
Eine Falle dabei ist der so genannte Loyalitätskonflikt. Wer einem
Kind freistellt, ob es den getrennt lebenden Elternteil überhaupt
noch sehen will, löst damit nur Unsicherheit aus. "Nicht das Kind
muss über den Besuchskontakt entscheiden, sondern die Eltern",
sagt Helga Baumann. "Kinder müssen Kinder bleiben dürfen und sich
darauf verlassen können, dass die Eltern für sie entscheiden."
Scheidungseltern sollten sich auf jeden Fall in Konfliktsituationen
beraten lassen. Das Gespräch kann sehr entlastend sein für verunsicherte
Eltern, die nur das Beste für ihr Kind wollen.
Gibt es eine zufrieden stellende Besuchsregelung?
Der Besuchstag ist kein Geschenk für den "anderen" Elternteil,
sondern eine Verpflichtung gegenüber dem Kind. Gut eingeteilte
und gut vorbereitete Besuchszeiten können und sollen auch eine
Entlastung für den sorgeberechtigten Elternteil sein. Ungeordnete
Besuchskontakte können zu Missverständnissen auf beiden Seiten
beitragen. Besteht ein Konflikt über die Besuchszeiten, so sind
Kinder verunsichert. Das kostet das Kind viel Energie. Besonders
belastend ist es für ein Kind, wenn es ständig gefragt wird, ob
ein Besuch stattfinden soll oder nicht, da es mit jeder Antwort
einen Elternteil kränkt. Günstig ist eine Besuchsregelung, mit
der beide Eltern zufrieden sind. Eine neutrale, außenstehende
Fachkraft kann mit den Eltern eine Regelung erarbeiten, denn es
gibt bereits ausreichend Erfahrung, wie Besuchskontakte geregelt
werden müssen, damit Kinder zufrieden sind.
Unterhalt / Gericht / Anwalt
Sehr oft werden nach der Scheidung einvernehmliche Lösungen über
den Besuchskontakt nicht eingehalten. Das führt zu wochenlangen
Unterbrechungen der Eltern-Kind-Beziehung. Geschiedene Eltern
müssen in dieser Phase eine vorübergehende psychologische Hilfe
erhalten. Bei Bedarf gibt es in Beratungsstellen "Besuchsanbahnung".
Der Anspruch des Kindes und des getrennt lebenden Elternteils
auf Besuchskontakt besteht rechtlich völlig unabhängig von der
Unterhaltsproblematik. Die Unterhaltszahlungen für das Kind sind
jedenfalls auch dann zu leisten, wenn kein Besuchskontakt ausgeübt
wird. Jede Trennung ist ein schwerer Einschnitt im Leben der betroffenen
Partner. Loslassen und sich wirklich trennen ist ein Prozess.
Wer nach mehr als einem Jahr noch sehr leidet und keine Hoffnung
auf eine bessere Zukunft hat, sollte eine Beratungsstelle aufsuchen.
Getrennt lebende Eltern können oft nicht in Ruhe miteinander reden
und deshalb wächst der Berg der Beleidigungen und Missverständnisse.
Diese Spirale muss im Interesse beider gestoppt werden. Hilfreich
sind Aussprachen, die von einer Fachkraft geleitet werden. Dabei
gibt es deutlich weniger Ärger und sachlichere Diskussionen.
Unser Kommentar: Die Trennung der Eltern stellt für Kinder sicher eine Belastung
dar - wie groß sie ist, hängt in hohem Maße von der Art und Weise
ab, in der die Eltern die Trennung gestalten. Aus diesem Grunde
sind Ratgeber wie der hier beschriebene durchaus sinnvoll, auch
wenn auf diesem Wege natürlich nicht alle anfallenden Fragen beantwortet
werden können. Trennungen von Eltern sind auch fast kein Sonderfall
mehr: z.B. in Wien nähert sich die Scheidungsrate der 50%- Marke.
Bewußtseinsbildung auf diesem Gebiet tut jedoch not: nicht selten
ist der Kampf um die gemeinsamen Kinder die letzte Möglichkeit,
dem Expartner weh zu tun, und von dieser Möglichkeit wird reichlich
Gebrauch gemacht. Beratung und Mediation erscheinen hier als Methoden,
die Abhilfe schaffen könnten, und auf die auch die Gerichte zurückgreifen
können.