Die Bürde der elterlichen Fußstapfen von Simone Georgieva Die Beziehung der Eltern dient als Modell für spätere Beziehungen der Nachkommen. Entsprechend bildet sich das Unvermögen einer friedlichen Konfliktlösung der Eltern in späteren Paarbeziehungen der Nachkommenschaft ab. Zu diesem Ergebnis kamen US- Forscher verschiedener Universitäten in einer Längsschnittuntersuchung. Im „Journal of Familiy Psychology“ wurde kürzlich eine Studie der Indiana-, Duke- und Auburn University veröffentlicht, in der untersucht wurde, inwieweit Konflikte innerhalb der Familie die soziale Informationsverarbeitung von Kindern beeinflussen, bzw. ob sich elterliche Konflikte auf spätere Paarbeziehungen der Nachkommen als junge Erwachsene auswirken. Im Speziellen sollte der Frage auf den Grund gegangen werden, ob erlebte Aggression innerhalb der Familie dazu führt, dass in späteren Beziehungen ebenfalls auf ähnliche aggressive Verhaltensmuster zurückgegriffen wird und erlernte Schemata somit möglicherweise von Generation zu Generation weitergegeben werden. Vorgehensweise: Step 1 Teilnehmer der Studie waren Kinder und deren Eltern aus Nashville und Knoxville, Tennessee, Bloomington und Indiana. Je Familie wurde lediglich ein Kind in die Studie miteinbezogen, die Stichprobe umfasste 585 Personen. Als die Kinder fünf Jahre alt waren, gingen die Forscher zunächst dem Konfliktverhalten der Eltern auf den Grund. Dazu mussten die Eltern getrennt voneinander Fragen zu deren interparentalen Auseinandersetzungen beantworten. Die Eltern wurden aufgefordert, von Übergriffen im letzten Jahr, als das Kind zwischen 4 und 5 Jahren alt war zu berichten und von Konflikten, die in den vier Jahren davor stattgefunden hatten, als das Kind zwischen 0-4 Jahren alt war. Steps 2+3 In einem weiteren Schritt wurden die Kinder selbst im Alter von 13 und 16 Jahren befragt, um zu ermitteln wie sie soziale Informationen verarbeiten, bzw. auf welches Verhaltensrepertoire sie zurückgreifen, wenn sie mit provokativen, hypothetischen Situationen konfrontiert werden. Die konfliktbehafteten Darstellungen wurden in Form von Videos, Comicstrips usw. dargeboten und die Jugendlichen sollten situationsbezogene Fragen beantworten und angeben, wie sie selbst in derartigen Situationen agiert hätten, bzw. zwischen aggressiven und nicht aggressiven hypothetischen Verhaltensweisen wählen. In einem letzten Schritt wurden die nun jungen Erwachsenen im Alter von 18 -21 hinsichtlich ihrer eigenen Paarbeziehungen befragt. Jedes Jahr sollten die Probanden das letzte Jahr ihrer Beziehung sozusagen Revue passieren lassen und überprüfen wie häufig sie Konflikte, bzw. auch aggressive Verhaltensweisen zu verzeichnen hatten. Lernen am Modell In der Studie konnten mäßige Zusammenhänge zwischen elterlichen Beziehungskonflikten und Werten der sozialen Informationsverarbeitung der Nachkommen aufgezeigt werden. In direktem Zusammenhang stehen in jedem Fall Konflikte der Eltern mit späteren Beziehungskonflikten der Nachkommenschaft. Warum tendieren die Nachkommen dazu, die Schemata ihrer Eltern zu übernehmen, obwohl sie elterliche Konflikte zumeist als belastend wahrgenommen haben? Elternbeziehungen dienen als Modell für spätere eigene Beziehungen und Kinder greifen oftmals auf jene Verhaltensmuster zurück, die am vertrautesten für sie sind. Eltern, die Streitigkeiten häufig in aggressiver Form ausleben, bieten ihren Kindern keine nichtaggressiven Handlungsalternativen an, auf die sie in verschiedenen, provokativen Situationen zurückgreifen können. „ Kinder gewalttätiger Eltern halten Gewalt viel eher für ein plausibles Mittel der Konfliktlösung", sagt Studienautor John Bates vom Institut für Psychologie. Kinder wenden in Folge aggressive und gewaltsame Verhaltensweisen in späteren Konfliktsituationen häufiger an als Altersgenossen, die nicht in einem aggressiven Umfeld aufgewachsen sind, da ihnen kein Repertoire an konstruktiveren Konfliktlösungsmöglichkeiten zur Verfügung steht. Als Erwachsene bringen sie erlernte Schemata in ihre späteren Paarbeziehungen mit ein, was aggressive Auseinandersetzungen faktisch vorprogrammiert. Augenzeuge Kinder, die Zeuge elterlicher Konflikte wurden, scheinen vermehrt unter Ängstlichkeit und Depressionen zu leiden, sie zeigen Verhaltensauffälligkeiten und betreiben häufiger Substanzen -Missbrauch. Aber negative Konsequenzen interparentaler Aggression ergeben sich vermutlich nicht nur für jene Kinder, die direkt Zeuge von Konflikten wurden, bzw. selbst in Streitigkeiten involviert waren. Man geht davon aus, dass es ausreicht, in einem Haushalt zu leben, in dem immer wieder Spannungen kursieren, um später selbst konfliktbehaftete Partnerschaften einzugehen, bzw. sich dadurch auch traumatische Erinnerungen manifestieren, die in späteren Beziehungen reaktiviert werden können. Entsprechend können voreingestellte Erwartungshaltungen und eine Hypersensibilität gegenüber bestimmten Verhaltensweisen des Partners, die an frühe negative Erfahrungen erinnern eine entscheidende Rolle für die Entstehung späterer Konfliktsituationen spielen. Epilog Aggressive Konflikte in Beziehungen können verschiedene Ausmaße annehmen. Diese können in Form von Beleidigungen, verbalen Drohungen und psychischer Kontrolle, bis hin zur physischen Gewalt stattfinden. Der Fokus dieser Studie lag nicht primär auf physischer Gewalt. Der Hauptanteil der Indikatoren für konfliktbehaftetes Verhalten von denen Probanden berichteten, beschränkte sich auf verbale Vorkommnisse. Aber unabhängig davon ob Aggressionen in physischer oder verbaler Form stattfinden, ergeben sich in jedem Fall negative Konsequenzen sowohl für die involvierten Personen als auch für die Kinder.
Quelle: pressetext.at
Unser Kommentar: „Nie möchte ich so werden wie mein Vater/meine Mutter“; oder: „jetzt hör` ich mich schon an wie meine eigenen Eltern.“ Wer hat solche Sätze nicht schon einmal gehört, oder selbst gedacht? In vielerlei Hinsicht sind Eltern ein positives Vorbild, von manchen Aspekten möchte man sich aber doch lieber hinsichtlich ihrer Einstellungen, Ansichten und Verhaltensweisen distanzieren… und dennoch scheinen sich eingeschliffene Muster unbewusst, oder wider Willen in unsere Weltensicht und unser Handeln einzuschleichen. Und ob wir gerne wollen oder auch nicht, werden wir geprägt wie eine Schallplatte. Während Schallplatten aber unwiderruflich und beständig „die selbe Leier abspielen“, haben wir das Glück, dass unsere menschliche Festplatte flexibler in Bezug auf Speicherung und Abruf ist und die eine oder andere korrektive Maßnahme erlaubt. Das heißt, wenn wir uns ungeliebter und irrationaler Verhaltensweisen erst einmal bewusst werden, so besteht auch die Möglichkeit etwas zu verändern. Diese Option bezieht sich auch auf das Konfliktverhalten - denn auch Streiten will gelernt sein- man spricht ja nicht umsonst von der „Streitkultur“. Soll heißen: Konstruktives Konfliktmanagement lässt sich erlernen. Manchmal ist es schwierig, sich im emotionalen Dschungel, der oftmals dem Verstand entgegensteht zurechtzufinden und für den Fall der Fälle ist ein professionelles Geleit durch die „Gefühlssafari“ ratsam. In jedem Fall lohnt es sich manchmal aus den Fußstapfen der Eltern hinauszutreten und andere Pfade einzuschlagen, auch um nachfolgenden Generationen neue Wege zu ermöglichen. Simone Georgieva/Zentrum Rodaun
Literaturtipps: Allan Guggenbühl: Hast Du mal Zeit für einen Streit? Wie Männer und Frauen fair miteinander streiten. Bestellmöglichkeit bei amazon.at! Heike Baum, Heike Herold: Da bin ich fast geplatzt!: Vom Umgang mit Wut und Aggression. Bestellmöglichkeit bei amazon.at! George R. Bach, Peter Wyden: Streiten verbindet: Spielregeln für Liebe und Ehe. Bestellmöglichkeit bei amazon.at! Simone Pöhlmann, Angela Roethe: Streiten will gelernt sein: Die kleine Schule der fairen Kommunikation. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!
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