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Heimat bist du kranker Söhne (und Töchter)

 

Der Patient ist die Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich – und seine Lage ist kritisch. Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter „Lebensstilerkrankungen“ wie Hyperaktivität, Stress oder Fettleibigkeit. Mehr Jugendliche im Alter von 15 rauchen und trinken in Österreich als in anderen EU-Ländern, mehr entwickeln ein Problem mit Aggression oder leiden unter täglichem Mobbing in der Schule. Die Sterblichkeitsrate der 15- bis 19-Jährigen liegt vergleichsweise hoch.


Pünktlich zu Beginn der Schul-Semesterferien im Osten Österreichs waren in Österreichs Medien keine guten Nachrichten zum Gesundheitszustand und der Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen zu lesen: „Immer mehr Kinder und Jugendliche in Österreich haben psychische Probleme, greifen zu Alkohol und Nikotin oder sind suizidgefährdet. Behandlungsplätze, die sich Eltern leisten können, sind schwer zu erhalten. Betroffene müssen oft monatelang warten, ehe sie einen Therapieplatz auf Krankenkassenkosten bekommen“, schreibt z.B. die „Presse“. „ Im Gesundheitssystem muss sich etwas ändern: Kinder und Jugendliche haben einen Anteil an der Bevölkerung von 19 Prozent, aber der Anteil an den Gesundheitsausgaben für sie beträgt nur sieben Prozent. Es fehle z.B. an auf Kinder zugeschneiderte Therapieplätze, das Angebot von Versorgung von psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen werde stark vernachlässigt.“ Zitiert der „Standard“ Klaus Vavrik, Präsident der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit - einer Plattform für alle, denen die Gesundheit von Österreichs Kindern und Jugendlichen ein Anliegen ist: Berufsvertretungen wie Psychologen und Ergotherapeuten, Kinderärzte und Selbsthilfegruppen.

Jeder dritte 15-Jährige raucht

Die Liga stößt mit ihrem ersten Expertenbericht, der in Zukunft einmal im Jahr vorgelegt werden soll, in eine offene Wunde: Bereits die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, stellte Österreich ein dramatisch schlechtes Zeugnis bezüglich der Gesundheit seiner Jugendlichen aus. Fast jeder dritte 15-jährige Österreicher raucht – mehr als in jedem anderen OECD-Staat –, jeder fünfte trinkt regelmäßig Alkohol, die Selbsttötungsrate liegt mit 9,5 pro 100.000 in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen im negativen Spitzenfeld. Dazu kommen 100.000 Kinder, die laut Klaus Vavrik „in manifester Armut“ leben, berichtet die „Presse“ weiter.

Unterversorgung für Kinder mit speziellen Bedürfnissen

Von Unterversorgung betroffen seien vor allem Kinder mit Behinderungen, Kinder die an seltenen Erkrankungen leiden, Flüchtlingskinder und Kinder mit psychischen Problemen. Kinderpsychiater Ernst Berger vom Netzwerk Kinderrechte weist auch darauf hin, dass immer wieder über die schwierigen Jugendlichen und über Probleme mit Sucht und anderen Dingen hingewiesen werde: "Dort aber, wo es darum gehe, die notwendigen Hilfen auszubauen, würden die politischen Planungen versagen, weil sie vielleicht Geld kosten würden, das dann lieber in repressive Maßnahmen als unterstützende Maßnahmen investiert wird,“ berichtet der „Standard“

Psychische Gesundheit

Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise sei die Politik gefordert, meint Berger. Er mache sich Sorgen, wenn man hört, wie viele Familien in den nächsten Monaten und Jahren von Arbeitslosigkeit betroffen sein werden, wie viele Kinder von massiven wirtschaftlichen Belastungen betroffen sein werden. Wenn wir dort in Rechnung stellen, was wir aus sozialmedizinischen Studien wissen, dass sich diese sozialen Belastungen nämlich innerhalb kurzer Zeit auf das gesundheitliche Befinden der Kinder auswirken." Und zwar auf die psychische Gesundheit aber auch auf Faktoren wie die Kindersterblichkeit, ist ebenfalls im „Standard“ zu lesen.

Psychotherapiebedarf nicht abgedeckt

Kinder, die wegen bereits bestehender gesundheitlicher Probleme - vor allem Entwicklungsstörungen - eine Therapie brauchen, werden laut Experten erst recht im Stich gelassen: "Die Psychotherapie auf Kassenkosten ist kontingentiert. Oft ist im Frühjahr das Angebot bereits ausgeschöpft", kritisiert laut „Kurier“ Eva Mückstein, Präsidentin des Berufsverbands für Psychotherapie. Insgesamt liege der Behandlungsbedarf für Psychotherapie bei 2,1 bis fünf Prozent der Bevölkerung. "Doch nur 0,3 % der Kinder und Jugendlichen kommen auch zu einer Behandlung."

Politiker zufrieden, Kommentatoren nicht

Gesundheitsminister Alois Stöger wies die harsche Kritik der Experten noch am selben Tag zurück. Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen sei „insgesamt gut“, sagte er der Apa am Rande einer Pressekonferenz. Im medizinischen Sektor gebe es aber Verbesserungspotenzial.

Diese Wortmeldung findet der „Standard“ – Kommentator Gerald John zu zurückhaltend: „Gesundheitsminister haben wenig handfeste Macht. Jede Reform müssen sie unzähligen Akteuren abverhandeln, jeden Euro dem Finanzminister abringen. Ihre einzige Waffe ist die Öffentlichkeit: Stimmung erzeugen, Bewusstsein schaffen, Kampagnen fahren - für ein Rauchverbot, gegen Übergewicht. Doch das tut Stöger zu unentschlossen. Man sieht ihn nicht, man hört ihn kaum. Beispiel Rauchen: Ein bisschen hat der Minister herumgemäkelt am windelweichen Rauchergesetz, er will es halt irgendwann prüfen. Wer, wenn nicht der oberste Wächter über die Volksgesundheit, hat angesichts unzähliger Studien über die verheerenden Folgen von Nikotin für ein Rauchverbot in allen Lokalen zu kämpfen? Von "Evaluierung" und "Interessenausgleich" soll in dieser Frage vielleicht ein Regierungskoordinator faseln, aber bitte nicht der Gesundheitsminister. Der muss - um es in den Worten des Raucheranwalts Manfred Ainedter auszudrücken - den radikalen "Nikotin-Taliban" spielen.“

Noch direkter äußert sich Hans Rauscher: „Der Gesundheitsminister erhält eine alarmierende Studie, wonach österreichische Jugendliche zuviel saufen, rauchen und Junkfood essen. Er sagt: erstens glaube ich der Studie nicht, zweitens wird das schon nicht so arg sein, und drittens können wir leider nicht viel machen – weil, das sagt er nicht, die Wirte dagegen sind“.

Quellen: "Kurier", "Standard", "Presse"

 

Unser Kommentar: Es ist leider nicht der erste derartige Bericht über die Gesundheits- und Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen in Österreich. Bemerkenswert ist ja auch, dass es in Österreich z.B. tatsächlich keine speziellen Rehabilitationsplätze für Kinder und Jugendliche gibt – erst kürzlich musste ich in einem Gespräch einem Jugendlichen mit einer rehabilitationspflichtigen Muskelerkrankung eröffnen, dass er mit einem Bett neben geriatrischen Schlaganfallpatienten rechnen muss. Wieder einmal scheint es sich zu bewahrheiten, dass Kinder leider über keine (schlagkräftige) Lobby verfügen, im Gegensatz zu, zum Beispiel, den Wirten... Aber es gibt womöglich Licht am Ende des Tunnels: die grundvernünftige Kontrolle im Rahmen des Mutter-Kind-Passes auch was die psychische Entwicklung von Kindern betrifft ist in Diskussion, und es gibt die Forderung nach mehr Präventionsleistungen und mehr Psychologischer Behandlung – und das alles als Kassenleistung (kostet unterm Strich weniger als Reparaturmedizin!) ist eine Vision, für die man hoffentlich keinen Arzt braucht.

Gerald Kral/Zentrum Rodaun

 

 


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