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Kinder in Armut

von Birgit Oberwalder

 

Dass Kinder aus der sogenannten "unteren Schicht" benachteiligt sind, ist hinlänglich bekannt. Sie haben meist geringere Bildung, woraus ein aufstiegsloser Job folgt, der dann meist schlecht bezahlt ist. In einer kleinen Studie unter der Leitung von Sanjeev V. Kothare am St. Christopher´s Kinder-Hospital in Philadelphia wurde festgestellt, dass Kinder aus niedrigeren sozio-ökonomischen Schichten aber auch schlechtere Schlafgewohnheiten haben als Kinder aus der Mittelschicht.

 

Schlafen arme Kinder tatsächlich schlechter als andere Kinder, trägt dies auch dazu bei, dass sie schlechter in der Schule sind (geringere Aufmerksamkeit wegen Müdigkeit) und ihr Immunsystem kann durch den schlechten Schlaf geschwächt sein, was zu Krankheiten führen kann. Dr. Kothare untersuchte 64 Kinder, die im Krankenhaus lagen. Er befragte deren Eltern zu den Schlafgewohnheiten der Kinder und legte zusätzlich einen Fragebogen vor. Dieser fragte nach der Uhrzeit, zu der die Kinder gewöhnlich schlafen gehen, ob sie sich weigern, schlafen zu gehen, wie lange es dauert, bis sie einschlafen, wie lange sie schlafen und wie ruhig der Schlaf ist. Ergebnis war, dass Kinder aus schlechteren Verhältnissen bedeutend schlechtere Werte hatten, als Kinder aus der Mittelklasse. Definitive Erklärungen dieser Ergebnisse liefert Dr. Kothare nicht, da es ihm vorrangig darum ging, auf die Problematik dieser benachteiligten Kinder hinzuweisen.

Armutsschere

Allgemein ist der Trend erkennbar, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht. So ist zwar in Sachen Gesundheit der Kinder eine Verbesserung erkennbar, allerdings nicht in dem Ausmaße, wie sich der allgemeine Wohlstand und vor allem die wissenschaftliche Forschung verbessert hat. Die Kindersterblichkeit ist im Vergleich zu früher stark zurückgegangen (von 17 auf 1000 Kindern auf 5 auf 1000 Kinder in England). Dies bedeutet, dass sich allgemein die Erziehung und Gesundheit der Kinder verbessert hat, die Armut hat sich allerdings nicht in solchem Ausmaße zurückgebildet. So leben in England, dem fünfreichsten Land der Welt 3,4 Millionen Kinder in Armut, wovon 400.000 unter äußerst ärmlichen Verhältnissen leben. Am stärksten zeigt sich der Unterschied zwischen den Schichten in der Ausbildung. Die Wahrscheinlichkeit als "Oberschichtkind" einen guten Schulabschluss zu erreichen ist fünfmal höher, als dieses Ziel als "Unterschichtkind" zu erreichen. Hier hat sich die Situation sogar verschlechtert. In den 80ern lag der Wert noch bei dreimal. Weltweit besuchen mehr als 100 Millionen Kinder im Grundschulalter keine Schule. Besonders in ärmeren Ländern Afrikas, Asiens und den arabischen Staaten ist ein Schulbesuch für Kinder oft nur ein Traum Anstatt die Schulbank zu drücken, müssen sie auf Feldern, Straßen oder in Bergwerken arbeiten.

In Österreich sind laut Statistik Austria vor allem Kinder und Jugendliche überdurchschnittlich von Armut betroffen. So sind diese Minderjährigen mit einem Anteil von 26% in der Gruppe der von Armut gefährdeten Österreicher vertreten. 96.000 Kinder und Jugendliche (fünf Prozent) unter 19 Jahren gelten in Österreich als manifest arm. Das bedeutet, dass der Haushalt, in dem sie wohnen, über ein so geringes Einkommen verfügt, dass es dadurch zu erschwerten Lebensbedingungen kommt. Unter Umständen kann zum Beispiel die Wohnung nicht geheizt werden, oder unerwartete Kosten können nicht gedeckt werden, etc. Deutlich wird diese Armut auch zu Schulanfang. Hungrig in die Schule, schlechte Bekleidung (damit ist nicht gemeint, dass die Klamotten von letztem Jahr getragen werden und somit "uncool" sind, sondern es werden leichte Turnschuhe im Winter getragen, etc) sind keine Seltenheit. Das Geld reicht oft nicht für eine Grundausrüstung wie Zirkel, Hefte oder Stifte. Die Spirale dreht sich weiter. Nur das Notwendigste kann besorgt werden. Miete, Heizung und Nahrung stehen natürlich an oberster Stelle. Geld für Bildung, "Shoppen" und Sozialkontakte ist mehr oder weniger nicht vorhanden, von Nachhilfestundengeld ganz zu schweigen. Diese benachteiligten Kinder haben weniger Chancen auf einen guten Schulabschluss und somit auf eine gutbezahlte Arbeitsstelle. Hier schließt sich dann der Kreis. Aus der Armut herauszukommen gestaltet sich sehr schwierig.

Armut ist nicht gleich Armut

Unter Armut versteht man nicht nur den Mangel an finanziellen Mitteln, sondern auch das Fehlen von materiellen und immateriellen Gütern. Dazu gehört die Zeit- und die Erziehungsarmut. Soziale und kulturelle Aspekte sind stark eingeschränkt und werden durch dementsprechende ausgrenzende Erfahrungen auch noch verstärkt. Auch haben diese Kinder und Jugendlichen nicht denselben Zugang zur allgemeinen Infrastruktur wie Bildung und Arbeitsmarkt. All diese Faktoren können zusätzlich die psychische (Einsamkeit, Depression) als auch die physische (chronische Krankheiten wie Asthma, Kopfschmerzen, Schlafstörungen...) Gesundheit belasten.

Kinder, die in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen, leiden zusätzlich darunter, dass sie die Ohnmacht der eigenen Eltern, die Situation in den Griff zu bekommen, erleben. Dadurch wird die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls empfindlich gestört. Die fundamentale Erfahrung zeigt den Kindern, dass arme Kinder arm bleiben und auch ihre Kinder arm sein werden, sozusagen das soziale Erbe: Armut.

Quellen: Thomas Pany, Telepolis; Statistik Austria; der Standard; Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung

 

 

Unser Kommentar: : Alles muss raus! Minus 70%! Es kostet fast nichts! Ja sogar: Sie bekommen Geld, wenn Sie konsumieren! Tagtäglich werden wir mit solchen und ähnlichen Lockrufen dazu verleitet, unser Geld mit vollen Händen auszugeben. Natürlich ist heute alles viel billiger geworden und wenn man den berühmt-berüchtigten "Warenkorb" zur Rechtfertigung des günstigen Lebens heranzieht, ja da merkt man, dass tatsächlich alles billiger geworden ist! Blöderweise kann man iPods und Laptops nicht essen. Was nützt es der alleinerziehenden Mutter von drei Kindern, dass das Telefonieren mit dem neuesten Handy XY jetzt sogar gratis ist, wenn sie nicht einmal das Geld für Brot und Milch aufbringen kann, die wohlgemerkt sehr viel teurer geworden sind, im Vergleich zu früher. Wieder muss sie ihr jüngstes Kind ohne Jause in die Schule schicken. Die zwei Älteren arbeiten teilweise in Hilfsjobs aber meistens treiben sie sich nur mit ihren dubiosen Freunden herum. Die Schule haben sie abgebrochen, die Lehrstelle bald verloren. Am Abend, wenn die Mutter über den Rechnungen brütet, die sie wahrscheinlich nicht bezahlen kann, hofft sie, dass wenigstens das jüngste ihrer Kinder die Schule abschließen wird. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Kaum zu glauben, dass in unserem schönen Österreich - das anscheinend ständig am Feiern ist, eine Fete Blanche nach der anderen zelebrierend und wir mit einem Seitenblick immer dabei - es auch Familien gibt, die am Hungertuch nagen. Aber nein, nicht der Schönheitswahn ist hier im Spiel, sondern die harte Realität. 96.000 minderjährige Kinder sind arm. Arm an Geld, an sozialem Kontakt, an Erziehung. Arm an Zukunftsperspektiven und letztendlich arm im Geist und in der Seele. Dass diese Armut im 21. Jahrhundert - dem Jahrhundert des Fortschritts, der Entwicklung und der technischen und medizinischen Revolution - noch immer nicht konsequent und zielstrebig bekämpft wird, ist ein Armutszeugnis an unsere Gesellschaft.

Birgit Oberwalder/Zentrum Rodaun

 

Links:

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25476/1.html

http://www.statistik.at/dynamic/web_de/statistiken/soziales/armut_und_soziale_eingliederung/020354

http://www.armutskonferenz.at/armut_in_oesterreich_kinder_jugendarmut.htm

 

Literaturtipps:

Karl Chasse, Margherita Zander, Konstanze Rasch: Meine Familie ist arm. Wie Kinder im Grundschulalter Armut erleben und bewältigen. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Thomas Altgeld und Petra Hofrichter: Reiches Land, kranke Kinder? Gesundheitliche Folgen von Armut bei Kindern und Jugendlichen. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Jeffrey D. Sachs: Das Ende der Armut. Ein ökonomisches Programm für eine gerechtere Welt. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!


Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie in unserem Beitrag

"Armut kann Ihre Gesundheit gefährden!"

 

 


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