Kinder und TV - Was tun, wenn Kinder zu oft vor der Kiste sitzen?
"Um Kinder und Jugendliche vom Fernsehen abzubringen, hilft nur das
Gespräch", sagt Professor Hubertus von Voss aus München im Gespräch mit
der "Ärzte Zeitung". Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für
Sozialpädiatrie hat einige Tips für Ärzte und betroffene Eltern, denn zwei
neue Studien kommen zu dem Ergebnis, daß Fernsehen oft Ursache von
Kopfschmerzen und Schlafstsrungen bei Kindern ist.
495 Eltern von Kindern im Kindergarten- und Schulalter (bis zur vierten Klasse) wurden in
einer amerikanischen Studie (Pediatrics; 104/3/e27) des Rhode Island Hospital in
Providence, Rhode Island, befragt. 40 Prozent berichteten über Schlafstörungen bei ihren
Kindern wie Schwierigkeiten beim Einschlafen, nächtliche Angstzustände, kurze
Schlafphasen. Die Mediziner brachten dies mit dem Fernsehen in Verbindung, weil 76
Prozent der Eltern angaben, daß ihre Kinder abends fernsehen. Bei der zweiten Studie
wurden im Auftrag des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen 100 Psychiater zu
Kopfschmerzen von Kindern befragt. Sechs Prozent aller Kinder, die in die Sprechstunden
kommen, werden wegen Kopfschmerzen behandelt. Die Mediziner vermuten, daß bei jedem
fünften Kind die Kopfschmerzen auf das Fernsehen zurückzuführen sind.
Was kann man tun, wenn Kinder den roten Knopf auf der Fernbedienung nicht finden?
Wichtig sei für Psychiater, so von Voss, daß sie sich für die Vorgeschichte und diagnostische
Anamnese ihrer Patienten Zeit nehmen, um herauszufinden, warum ein Kind den
Fernsehapparat anschaltet. Das bedeute für den Arzt, daß er im Gespräch mit dem Kind oder
Jugendlichen nach den Ursachen sucht. Der sozialmedizinische Aspekt sei dabei wichtig,
nicht die apparative Diagnostik. Die Angst vor dem Versagen etwa in der Schule mache
Kinder oftmals traurig, und "dann gucken sie in die Kiste".
Soziale Kompetenz sei auch von den Eltern gefordert - und viel Geduld: "Eltern müssen
wissen, daß Kinder viele Fragen stellen." Es sei keine Lösung, Kinder vor dem Fernsehgerät
ruhigzustellen. Von Voss rät den Eltern, Alternativen anzubieten: zusammen ein Buch zu
lesen, miteinander zu Spielen oder Sport zu treiben. Auch Kontakte zu anderen Familien
seien wichtig - um Erfahrungen auszutauschen und um gemeinsam etwas zu unternehmen.
Oftmals hätten Eltern auch verlernt, mit ihren Sprößlingen zu reden. Die Kinder fühlten sich
dann mit ihren Problemen alleingelassen und setzten sich aus Frust vor die Glotze. Doch das
Gerät könne keine Beziehungen ersetzen, sagt von Voss. Deshalb sollten Eltern zusammen
mit ihren Kindern eine Sendung anschauen und anschließend darüber diskutieren.
Sabine Schiner
© Ärztezeitung