"Bilder sind Spiegel der Seele..."
Über Mal- und Gestaltungstherapie mit Kindern
von Eva Tiefenböck
Alle Kinder zeichnen und malen. Zeichnen ist ein ursprüngliches,
spontanes sich Ausdrücken. Im Laufe ihrer Entwicklung verlieren
sie häufig den unverstellten Zugang zu spontanen Äußerungen von
emotionalen Erlebnissen. Die Schulung des Wortes ersetzt die anderen
Ausdrucksmöglichkeiten.
Gewöhnlich beginnt ein Kind mit ca. zweieinhalb Jahren zu kritzeln.
Helen Bachmann beobachtete in ihrer langjährigen Arbeit, dass
Kinder einer Altersstufe in ihren bildlichen Darstellungen ähnliche
Phänomene zum Ausdruck bringen, so als handle es sich dabei um
einen archetypischen Erfahrungsschatz. Sie sieht in schöpferischen
Gestaltungen allgemein einen Ausdruck des Individuationsprozesses.
Zwischen dem 3. und dem 5. Lebensjahr erreichen Kinder das Stadium,
in dem die Gestaltungen symbolische Bedeutung bekommen. Das Kind
drückt eine eigene Vorstellung so aus, dass sie anderen verständlich
wird. Deshalb begrüßen sie Erwachsene oft mit dem Ausruf: "Schau
was ich gemacht habe!" Das Produkt stellt nie einfach nur eine
Fantasie dar. Es drückt vielmehr das Verhältnis des Kindes zu dieser Fantasie aus.
Die Kunst kann auch grausame Fantasien ertragen. So haben Kinder
im künstlerischen Gestalten die Möglichkeit gesunde Entwicklungstendenzen
zu verwirklichen, die sie im Alltagsleben noch nicht umsetzen
können. Edith Kramer betont, dass dadurch Sublimierung erreicht
werden kann und das wiederum kann dem Kind helfen eingeschränkte
Muster zu durchbrechen.
Die Kunst kann auch Energien, die dem Kind normalerweise nicht
zur Verfügung stehen, mobilisieren. Sie steht im Dienste der Ich-Funktion
und kann entscheidend zur Entwicklung der Persönlichkeit beitragen.
Die heilende Wirkung der Kunst besteht im Prozess des Gestaltens von Erlebnissen und Gefühlen.
Mir ist in meiner Arbeit mit Kindern anfangs immer wichtig, dass
sie aufhören andere Bilder und ihre eigenen zu werten. "So sieht
aber kein Baum aus!" Sobald sie annehmen, dass es nicht darum
geht schöne Bilder zu malen, sondern Bilder, die ihnen wichtig
sind und die aus ihnen selbst entstehen, fühlen sie sich immer
sehr erleichtert und beginnen freier, ausdrucksstärker und lustvoller
zu agieren. In unserem leistungsorientierten Schulsystem werden
sie oft von verschiedenen Materialien überflutet und machen oberflächliche
Bekanntschaft mit neuen, sicheren Techniken. Sie lernen aber nicht
aus verschiedenen Experimenten ihre eigenen Bilder zu entwickeln.
Ich denke es ist nicht notwendig, dass alle 25 Kinder einer Volksschulklasse
eine Maus in derselben Farbe mit derselben Schwanzlänge und einer
vorgegebenen Augengröße basteln müssen (wie es meiner Tochter
einst ergangen ist und die sehr frustiert darüber war). Erwachsene
sollten die Kunst des Kindes verstehen, ihm Anleitung und Unterstützung
geben, ohne dabei ihre erwachsenen Vorstellungen und Arbeitsweisen
aufzuzwingen. Gerade im Zeichen- und Werkunterricht könnte vieles
kompensiert werden, was Kinder stresst. Bilder sind Spiegel der
Seele.
Literatur:
Bachmann I. Helen, 1997, Malen als Lebensspur, Klett-Cotta (Bestellen bei amazon.at)
Baumgardt Ursula, 1985, Kinderzeichnungen Spiegel der Seele,
Kreuz-Vlg. (Bestellen bei amazon.at)
Kramer Edith, 1997, Kunst als Therapie mit Kindern, Reinhardt (Bestellen bei amazon.at)
Mag. Eva Tiefenböck ist Psychologin und ausgebildete Mal- und Gestaltungstherapeutin.
Sie wird im Zentrum Rodaun eine Malgruppe für Kinder abhalten.
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