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Monstermanie

"Pokémon" ist das erfolgreichste Videospiel aller Zeiten.

Von Bernhard Praschl


Satoshi Tajiri kann ruhig schlafen. Vier Jahre ist es her, dass der japanische Computerspiele-Spezialist eine merkwürdige Spezies von Miniatur-Ungeheuern erfunden hat. Putzige Kerlchen mit naiver Mimik und so verrückten Namen wie Rattfratz, Knuddelluff oder Quaputzi. Seither haben die Powerrangers, die Ninja-Schildkröten, das Tamagotchi und der sprechende Furby ausgedient. In den Kinderzimmern dieser Welt dreht sich alles nur mehr um Pikachu & Co., besser gesagt: um 151 Taschenmonster, genannt "Pokémons" (von "Pocket-Monster").

Satoshi Tajiri, der Sohn eines Autoverkäufers aus Tokio, ist mittlerweile sicher schwerreich. Denn die kleinen Monster krabbeln nicht nur auf Videospiel-Konsolen herum. Ihre Spuren hinterlassen die teils höchst grotesken Kreaturen auch in Form von Pokémon-Comics, Pokémon-Sammelkarten, Hunderte Pokémon-Merchandising-Artikel vom Schlüsselanhänger bis zum Kuschelmonster (es gibt bereits 189 Lizenznehmer), Pokémon-TV-Actionhelden und als Pokémon-Stars im Kino. Ein Siegeszug auf allen Ebenen. Die Hysterie um die Sammelkarten ist besonders bizarr: Für den europäischen Markt werden sie - aus Furcht vor Fälschungen - in einer geheim gehaltenen Fabrik bei London gedruckt. Und zwar millionenfach. Pokemania ohne Ende.

Das Angenehme dabei: Wer noch immer nicht vom Pokémon-Fieber infiziert ist, wird wohl auch lange ohne die bunten Wesen leben können - leben müssen. Denn das Videospiel, die Ursache des globalen Pokémon-Bazillus, ist so gut wie immer und überall ausverkauft. Für wenige Tage gab es in einer österreichweiten Handelskette zwar wieder Nachschub. Doch gegen die Engpässe beim niederländischen Lieferanten hilft auch alle Macht von Mewto, dem mächtigsten aller Pokémons, nichts.

Worum geht es nun im Pokémon-Universum? Um Kleinigkeiten. So richtig große Monster nämlich haben auf dem 4 x 4,5 Zentimeter schmalen Bildschirm des Nintendo-Gameboys gar keinen Platz. Doch vielleicht ist genau das der Grund, warum dieses seltsame Spiel gerade bei Kindern in der Altersstufe von vier bis zwölf Jahren so erfolgreich ist. Sie nehmen die bescheidene LCD-Grafik achselzuckend hin. Sollen die Großen doch mit der Playstation glücklich werden, wir wollen unsere Geschicklichkeit mit dem Sammeln von immer mehr Figuren unter Beweis stellen.

Ziel nämlich ist, so viel wie möglich der insgesamt 151 Pokémons zu fangen, zu trainieren und im Duell mit anderen Gameboy-Spielern zu erproben. Je mehr Figuren, desto mehr Spaß, so die Devise. Und selbst wenn man bereits in der Stufe 1 scheitert, eines ist gewiss: Als "Spielleiter" verfügt man über das Privileg, den quirligen Pokémon-Trainer Ash samt seiner Baseball-Kappe quer über den Monitor zu manövrieren. Als Jäger und Sammler quasi.

Für Nichtspieler freilich bleibt das Phänomen der Pokémon-Mania unverständlich. Dies ist durchaus wörtlich zu nehmen. Denn wer kann etwa folgendem anonymen Rat aus der Pokémon-Internetgemeinde irgendeinen Sinn entnehmen? "Ich habe hier einen cheat, mit dem man Mew fangen kann: Man kauft sich im Center vor dem Mondberg das Karpador und gibt es in Pension, bis es Level 50 erreicht hat. Mit diesem Karpador besiegt man 100 x die Top 4, dann bringt man Karpador surfen bei und surft zu dem Laster bei der MS Anne." Und so weiter.

Kritiker dieser Kinderei sehen sich durch einen Kauderwelsch wie diesen bestätigt. Ergibt doch alles keinen wirklichen Sinn, oder? Moment - hat nicht jedes Spiel, auch Schach oder selbst Memory, seine eigenen, für Uneingeweihte nicht auf den ersten Blick durchschaubare Regeln und seine eigene Sprache? Stimmt. Doch während jedes andere Spiel seine Grenzen hat, ist Pokémon ein Spiel ohne Ende. Im Moment sind zwei Versionen (blau und rot) im Handel und auf jedem sind nur 139 Tiere enthalten. Wer sich an der gesamten Spezies der 151 Monster erfreuen will, muss die beiden Gameboy-Konsolen miteinander verkabeln und Pikachu & Co. tauschen.

Klingt kompliziert und ist es auch. Denn erstens ist jedes der Minimonster mit maximal vier der insgesamt 165 unterschiedlichen Kampftechniken wie "Aquaknarre", "Blubbstrahl", "Eierbombe" oder "Schädelwumme" ausgestattet. Zweitens dringt man zum ultimativen Pokémon, jenem mit der Zahl 151, nicht einmal nach tagelangem Trainieren vor. Denn Mew, so der Name des gewitzten Wiesels, ist so tief im Innern des Gameboys versteckt, dass es nur bei "Nintendo-Trainer-Events" aufgespürt werden kann. Drittens sind weitere Spielversionen in Gelb, Gold und Silber in Vorbereitung.

Pokémon fördere bei Kindern die kognitiven Fähigkeiten, sagen nun die einen. Ist ja auch wahr, viele der Knirpse, die der Computer-Droge verfallen sind, können die 151 Namen der Monster rasanter aufsagen als das Einmaleins. Außerdem, so meint die amerikanische Kinderpsychologin Stephanie Pratola, "komme das Spiel dem kindlichen Bedürfnis entgegen, selbst Verantwortung zu übernehmen". Blödsinn, wettert mittlerweile schon eine Anti-Pokémon-Liga und ruft via Internet zum weltweiten Protest gegen den Megaseller auf.

Einen Pokémon-Fan wie den zehnjährigen Maxi aber kann so etwas nicht kratzen. "Mew ist mein Lieblings-Pokie", trompetet der Schüler der Vienna International School. Auf seine 500 Monsterkarten ist er stolz, am Gameboy ist er ein richtiger Meister - und in der Schule zählt er zu den Besten. Satoshi Tajiri, der 34 Jahre alte Pokémon-Pate, kann also weiterhin ruhig schlafen.

© Kurier/Freizeit

Unser Kommentar: Kinder sind derzeit tatsächlich "pokémanisch" . Die Suchmaschine Altavista findet unter dem Stichwort "Pokemon" 462.713 Treffer. Die wichtigsten Pokémon-links sind:

http://www.pokemon.com - die offizielle Seite

http://www.pokemonthemovie.com - die Seite zum Film

http://www.psypoke.com - befriedigt alle Pokémon-Bedürfnisse und versorgt mit neuesten Nachrichten aus Pokéland

 

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