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Pubertät und Eltern-Ängste

von Werner Windhager

Der Wiener Kinder- und Jugendpsychiater Max Friedrich über pubertierende Jugendliche und ihre ängstlichen Eltern

Schlurfender Gang, einsilbig, aufmüpfig und ein Wimmerl auf der Nase: Die Pubertät ist ein Lebensalter, das sowohl Jugendliche als auch ihre Eltern oft vor ziemliche Probleme stellt. In dieser Phase verhalten sich Kinder meistens ganz anders, als ihre Eltern es von ihnen erwarten.

Die schulischen Leistungen sacken ab, sie entfernen sich von den Eltern und halten sich viel lieber an ihre Freunde. Der Wiener Kinder- und Jugendpsychiater Max Friedrich nennt das "die Suche nach den drei ,I`": Identität, Identifikation, Intimität. "In diesem Alter suchen Jugendliche neue Leit- und Vorbilder, Erfahrungen werden über Bord geworfen, Neuland betreten", so Friedrich. "

Dazu gehört auch das Loslösen von den Eltern. Und zwar zu einem Zeitpunkt, den die Eltern nicht vorher bestimmen und daher oft auch nicht wahrhaben wollen." Dieses Loslösen birgt natürlich Sprengstoff in der Beziehung zwischen Kindern und Eltern.

"Das wichtigste ist, den Dialog mit den Kindern nicht abreißen zu lassen", rät Max Friedrich. Dazu gehöre auch, sich mit der Mode- und Kulturszene der Kinder auseinander zu setzen. "Wenn ich nicht weiß, was gerade in ist, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn mich meine Kinder Gruftie nennen."

Laut Friedrich haben Eltern heute zum Teil erhebliche Erziehungsprobleme. Verschiedene Erziehungsstile von autoritär bis antiautoritär, von demokratisch bis liberal, haben sich seiner Ansicht nach nicht wirklich bewährt oder lassen sich kaum umsetzen.

"Das hat dazu geführt, dass Gleichaltrige die Erziehung selbst übernommen haben", so Friedrich. So werde ein hohes Maß an Verantwortung an die sogenannten "peer groups" abgegeben. "Hat früher die innere elterliche Stimme eine Entscheidung beeinflusst, ist es heute die reale Stimme des Freundes."

All das führt zu Ängsten bei den Eltern: die Angst, dass ihr Kind in extreme religiöse oder politische Szenen abgleitet, die Angst, dass das Kind Drogen nimmt oder kriminell wird. "Eltern sollten mit ihren Kindern über diese Ängste sprechen, die Ängste erklären", sagt Friedrich, "die Kinder werden diese Ängste auch verstehen."

Dazu gehöre aber auch, dass Eltern aus sich herausgehen und ihre Sicht der Dinge argumentieren. "Eltern müssen nicht unbedingt alles von ihren Kindern wissen", rät der Psychiater zu Diskretion. Was aber nicht bedeute, sich hereinlegen zu lassen.

Gefährliche Lebensphase Pubertät

Dass die schulischen Leistungen vieler Jugendlicher in der Pubertät nachlassen, ist für Friedrich ein natürlicher Bestandteil in der Entwicklung der Intellektualität: "In dieser Lebensphase sind sie hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Für Eltern und Schule bleibt da nicht viel Platz." Allerdings hat eine Studie gezeigt, dass die Zeugnismonate Februar und Juni einen deutliche Anstieg der jugendlichen Selbstmorde nach sich ziehen.

Unfälle und Selbstmord zählen zu den häufigsten Todesursachen bei Jugendlichen. Gerade dieses Alter sei von einer erhöhten Risikobereitschaft geprägt, um den "ultimativen Kick" zu erleben.

Friedrich verweist in diesem Zusammenhang aber auch auf das Phänomen der Selbstbeschädigung: Immer häufiger werden Eltern und Lehrer mit Jugendlichen konfrontiert, die sich absichtlich selbst verletzen.

Dabei gehe es nicht um Verletzungen durch Mutproben, sondern um aggressive Handlungen gegen sich selbst.

Der Irrgarten der Pubertät und der Weg hinaus

"Es gibt massenhaft wissenschaftliche Abhandlungen und Ratgeber über Jugendliche in der Pubertät. Die Ängste der Eltern werden allerdings kaum angesprochen", sagt Friedrich.

Mit seinem Buch will er versuchen, Eltern ein besseres Verständnis für die Probleme ihrer Kinder zu vermitteln und ihnen diese Lebensphase zu erleichtern.

Das Buch ist weniger ein Ratgeber für Eltern, sondern versucht darzustellen, welche unterschiedlichen Entwicklungen Jugendliche in der Pubertät nehmen und welche Probleme daraus resultieren können.

Irrgarten Pubertät – Elternängste, DVA, 235 Seiten, 277 S.
©Kurier

 

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