Schatten auf der Kinderseele
Depressionen im Kindes- und Jugendalter werden unterschätzt und
sind oft hartnäckig
"Depressive Störungen sind relativ häufige psychiatrische Krankheitsbilder
in der Kinder- und besonders in der Jugendpsychiatrie", berichten
Experten von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des
Kindes- und Jugendalters der Universität Marburg in der Zeitschrift
Versicherungsmedizin. "Gekennzeichnet sind sie durch ausgeprägte
depressive Verstimmung, Antriebsverminderung, kognitive Beeinträchtigung
und zusätzliche körperliche Symptome." Depressionen bei jungen
Menschen gelten in Expertenkreisen als weithin unterschätztes
Phänomen. Sie werden häufig als etwas für die Pubertät Typisches
aufgefasst und deshalb kaum fachärztlich diagnostiziert und nur
selten angemessen behandelt.
Schwere depressive Störungen bei Kindern und Jugendlichen sind
jedoch einem Bericht der deutschen Ärztezeitung zufolge mit einer
durchschnittlichen Dauer von sieben bis neun Monaten sehr langwierig.
Nur bei jedem zweiten Betroffenen sei nach neun Monaten keine
Depression mehr nachweisbar, die Rückfallsrate ist mit 70 Prozent
nach fünf Jahren hoch. "Noch höhere Rückfallsraten gibt es bei
jenen Kindern und Jugendlichen, die einem konfliktreichen Familienklima
ausgesetzt sind", schreibt die Ärztezeitung. "In prognostischer
Hinsicht ungünstig wirken sich belastende Erlebnisse nach Beginn
der Depression aus. Ferner ist eine gute Freundschaft zu Gleichaltrigen
von großer prognostischer Bedeutung."
Bei der Therapie sei außer einer qualifizierten Behandlung mit
Psychopharmaka eine begleitende Psychotherapie erforderlich. Die
Psychiater betonen, dass auffälliger Rückzug, Nachlassen der Interessen
oder Suizidgedanken eines Kindes oder Jugendlichen ernst genommen
werden müssen. Bei Verdacht auf erhöhtes Selbsttötungsrisiko sollten
die jungen Patienten stationär aufgenommen werden. Bis zu 40 Prozent
der mit einer schweren depressiven Episode erkrankten Jugendlichen,
berichtet die Ärztezeitung, entwickeln innerhalb von fünf Jahren
eine bipolare Störung (manisch-depressive Erkrankung).
Eine nicht angemessene Behandlung bipolarer Erkrankungen habe
aber auch andere weitreichende Konsequenzen. "Eine Frau, die zum
Beispiel mit 25 Jahren an einer manisch-depressiven Episode erkrankt,
hat im Schnitt eine um neun Jahre verkürzte Lebenserwartung sowie
einen Verlust von zwölf Jahren normalen gesunden Lebens sowie
von 14 Jahren normaler beruflicher und familiärer Aktivität",
sagt Kenneth Thau von der Psychiatrischen Klinik des Wiener AKH.
Es sei also dringend nötig, solche Krankheiten möglichst früh
zu erkennen, um sie angemessen behandeln zu können.
Literatur zum Thema "Kinder und Jugendliche und Depression":
Kerns, L.L. und Lieberman, A.B.:Hilfen für depressive Kinder.
Ein Ratgeber. Huber, Göttingen 1996. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!
Rabenschlag, U.:Wenn Kinder nicht mehr froh sein können. Depressionen
bei Kindern erkennen und helfen. Herder, Freiburg 2000. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!
Lesch, H.-P.:Depressive Kinder in der Schule. Ein Beitrag zur
Diagnostik der Depression im Kindes- und Jugendalter. Tectum 2000.
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Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie im Beitrag "Bis zu acht Prozent aller Jugendlichen sind depressiv"
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