So wird das Leben wieder leichter
Bewegungsmangel, fettreiche Ernährung und Limonaden machen Kinder
dick. Die Zahl der übergewichtigen Heranwachsenden steigt ständig
- und damit die der Leidenden
Das Leben dicker Kinder ist kein Honiglecken. Sie watscheln, schwitzen,
schnaufen und werden deshalb verspottet und gemieden. Dadurch
geraten sie in einen Teufelskreis. Sie leiden unter Minderwertigkeitsgefühlen
und Stress. Über ihre Einsamkeit trösten sie sich mit noch mehr
Essen hinweg. Und werden immer runder. Später kommt es noch dicker,
weil Übergewicht krank macht. "Die Folgeerscheinungen sind Diabetes,
Bluthochdruck und Herzerkrankungen - Leiden, die das Leben verkürzen
können", so Univ. Prof. Dr. Kurt Widhalm, Stoffwechsel- und Ernährungsexperte
an der Universitäts - Kinderklinik im AKH Wien, und rechnet vor:
Nur ein Kilogramm Gewichtszunahme steigert das Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung
zu bekommen, um 3,1 Prozent. Zehn Kilo Übergewicht erhöhen das
Risiko bereits um satte 30 Prozent. Dazu kommen Muskelschwäche,
Gelenksbeschwerden, frühzeitige Abnutzungen und Verformungen des
Knochengerüstes.
"Übergewicht ist das größte Problem des Jahrhunderts
- und es kommt in einer gigantischen Welle auf uns zu", sagt Kurt
Widhalm. Nach jüngsten Meldungen der WHO (Weltgesundheitsorganisation)
waren 1990 8,5 Prozent der Weltbevölkerung fettsüchtig, heute
sind es schon elf Prozent. Der Anteil der hochgradig Übergewichtigen
wird im deutschsprachigen Raum auf etwa 20 Prozent geschätzt.
Experten befürchten, dass sich diese Zahl in zehn Jahren verdoppeln
wird. Allein in Österreich sind 700.000 Menschen zu dick.
Was aber Professor Widhalm in Alarmstimmung versetzt, ist die
Tatsache, dass immer mehr Kinder fettleibig sind. Internationale
Studien belegen eindeutig, dass Fastfood (Pizza, Hamburger, Würstel),
Zuckerlimo und süße Milchprodukte die Hauptverursacher der jugendlichen
Gewichtsmisere sind. Allein im vergangenen Jahr wurden an Widhalms
Adipositas (Fettsucht)-Ambulanz 800 schwergewichtige Mädchen und
Buben betreut. Um erfolgreich abnehmen zu können, müssen Kinder
und Jugendliche rund um die Woche betreut werden - von Kinderärzten,
Psychologen, Sporttherapeuten und Diätassistenten.
"Was wir erreichen müssen, ist, dass die Kinder erst gar nicht
so dick werden", so Widhalm. "Neben den Hausärzten müssen auch
Eltern und Lehrer sensibilisiert werden, um mitzuhelfen, bei dicklichen
Kindern frühzeitig einzugreifen." Es sind oft seelische Konflikte,
die eine Esssucht auslösen. Diese kann aber auch "antrainiert"
sein, wenn man dem Kind ständig zu viel und das Falsche zu essen
gibt. Kinder, deren Magen vom Säuglingsalter an zu viel gefüllt
und gedehnt wurde, brauchen doppelt und dreifach - oft so viel,
dass es der Körper gar nicht abarbeiten kann und in Form von Fett
auf Lager legen muss. Durch entsprechende Umstellung der Ernährung
und viel Bewegung kann Fett wieder abgebaut werden und sich der
Magen gesundschrumpfen.
Der Body-Mass-Index (BMI) zeigt Eltern auf einen Blick, ob ihr
Kind über- oder untergewichtig ist. Während der Soll-BMI für Erwachsene
mit 19 bis 24 bei Frauen und 20 bis 25 bei Männern stets gleich
bleibt, ändert er sich bei Kindern je nach Alter.
Strategien gegen Übergewicht:
- Vitaminreiche, zucker- und fettarme Kost und Reduktion der Mengen
(vor allem bei Fettem).
- Obst statt Cremetorte, Naturschnitzel statt Wiener, Grillhuhn
statt Backhuhn.
- Bewegung und Sport als Fixprogramm in das Leben der Kinder einplanen.
- Ein rundes Kind nicht mit dem Auto zur Schule bringen. Bei einem
Gehweg von 20 Minuten hin und retour verbraucht es 300 Kalorien.
Jeden Tag getan, bedeutet das 2100 Kalorien in der Woche, 8500
im Monat und einen Gewichtsverlust von einem Kilo.
- Die Kinder animieren, so oft wie möglich zu Fuß zu gehen, auf
Rolltreppen und Lifte zu verzichten.
- Die TV-Fernbedienung verstecken. Dann muss das Kind beim Durchzappen
immer wieder aufstehen.
- Mit den Kindern viel unternehmen (Tierpark, wandern, schwimmen).
Das lenkt ab und erinnert stundenlang nicht ans Essen. So wird
der Magen langsam umgewöhnt.
- Nur kleine Mengen Schokolade auf Vorrat legen.
- Die Knabberschüssel vor dem Fernseher nur noch mit Obst füllen.
- Kaugummi kauen. Das Kauen beruhigt nachweislich und verhindert
nervöses Suchen nach Süßigkeiten.
Was das Kind tun soll, müssen ihm die Erwachsenen vormachen -
beim Essen wie beim Sport.
Unser Kommentar: "Rund und g'sund" geht offenbar meistens nicht Hand in Hand.
Es scheint, als wäre die im obigen Artikel angesprochene Problematik
noch zu wenig im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Umso bedauerlicher,
dass in dieser Situation die richtigen politischen Signale ausbleiben
- wie z.B. die Kürzung der Unterrichtsstunden im Fach mit dem
bezeichnenden Titel "Leibeserziehung" um eine Stunde in Hauptschulen/Mittelschulen,
AHS-Unterstufe und -Oberstufe zeigt. Nicht nur der Verband der
Leibeserzieher verwehrt sich dagegen, auch eine sportwissenschaftliche
Untersuchung an 65.000 Kindern ergab ein Besorgnis erregendes
Bild der körperlichen Leistungsfähigkeit 11- bis 14-jähriger Schülerinnen
und Schüler und warnt ebenfalls vor einer Kürzung des Turnunterrichtes.
Zentrum Rodaun/Dr. G. Kral
Hinweis: Zentrum Rodaun veranstaltet im Sommer 2003 erstmals ein
Sommercamp für übergewichtige Kinder! Nähere Infos und Anmeldungen
unter Was bieten wir / Sommercamp bzw.
Tel. 889 25 72 oder per eMail an team@zentrum-rodaun.at
Literatur zum Thema:
Kurt Widhalm und Monika Berthold: Hilfe, mein Kind ist zu dick.
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Dagmar Rohlfing und Susanne Brandt: Kursbuch Ernährungserziehung.
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Ulrike Korsten-Reck: Nina macht Mut. Erfolgreich gegen Übergewicht
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Reinhold Laessle und andere: Adipositas im Kindes- und Jugendalter.
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Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie in unserem Beitrag
Die Zahl übergewichtiger Kinder steigt
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