Der Sinn des Lebens: was kommt nach Leisten und Genießen? von Birgit Oberwalder
Konkurrenzkampf, Leistungsgesellschaft, Konsum, Materialismus und machtberauschte Egotrips treten, wie Mag. Bernhard Heinzlmaier in seiner Studie "Jugend unter Druck. Das Leben der Jugend in der Leistungsgesellschaft und die Krise der Partizipation im Zeitalter des Posttraditionellen Materialismus" feststellt, zusehens an die Stelle von Wert- und Sinnfragen. Diese Entwicklung hat die Einstellung der Jugendlichen seit den 80er Jahren stark geprägt.
Befragt man Jugendliche nach den Dingen, die im Leben wichtig
sind, orientieren sich ihre Antworten nach drei Punkten, die die
Gesellschaft seit den 1980er Jahren den jungen Menschen vorlebt:
Zuerst einmal muss die Jugend genutzt werden, um sich für den
Konkurrenzkampf in der Leistungsgesellschaft "hochzurüsten". Weiters,
umso mehr materielle Güter konsumiert werden und dadurch intensive
Erlebnisse ermöglicht werden, desto besser geht?s im Leben. Und
noch als dritten Punkt sei vermerkt, dass Werte eine persönliche
Angelegenheit sind, die jedem selbst vorbehalten sind und sich
von Mensch zu Mensch unterscheiden können. Dies alles stellt Mag.
Bernhard Heinzlmaier in seiner Studie "Jugend unter Druck. Das
Leben der Jugend in der Leistungsgesellschaft und die Krise der
Partizipation im Zeitalter des Posttraditionellen Materialismus"
fest.
Leistung, das Maß aller Dinge
Vor Beginn der 80er Jahre des vorigen Jahrhundert gab es noch
eine ernsthafte politische oder auch religiös motivierte Bewegung,
die das Idealbild des Menschen als eine primär durch materielle
Konsumanreize motivierte Leistungsmaschine in Frage stellte. Heute
sind wir weit von dieser Einstellung entfernt, ganz abgesehen
von der verstummten Kritik. Leistung ist, in all ihren Facetten,
ein vielgepredigter Kelch geworden, der an uns vorüber gehen möge,
aber ohne den einfach nichts mehr geht. Die immer höher geschraubte
Leistung und ihre Auswüchse verlangen den Menschen alles ab. Sie
wird vehement verteidigt, trotz der erheblichen Nebenwirkungen
wie Depression, Stresserkrankungen (bereits bei Kindern!), psychosomatischen
Erkrankungen, neuen Formen des Alkoholmissbrauchs bei Jugendlichen
und jungen Erwachsenen, Medikamentenmissbrauch und schlussendlich
dem Zerbrechen von Beziehungen, Partnerschaften und Familien.
Leistung ist hier ausschließlich als Gegenwert zu materiellen
Gütern Konsumgütern und den damit verbundenen Statusgewinn
zu verstehen.
Wert und Sinn als Antiquität
Im Radio, Fernsehen, auf unzähligen Plakaten und im Internet begegnen
wir mehr oder weniger freiwillig den Politikern und ihrer Zurschaustellung.
Heute gewinnt die Partei die Wahlen, die den sportlichsten, vitalsten,
weinkundigsten und prominentesten Spitzenkandidaten vorweisen
kann. Diskussionen über Werte- und Sinnfragen sind verschwunden.
An Stelle von parlamentarischen Verfahren und Regelung der gesellschaftlichen
Konflikte durch Werte tritt eine mediale Selbstinszenierung und
die Anhäufung von symbolischen Lebensstilkapital. Mag. Heinzlmaier
bringt es auf den Punkt: Politik vermittelt keine Werte mehr und
wenn, dann die falschen. Falsche Werte wie: Mit allen Mitteln
sich im täglichen Konkurrenzkampf der Leistungsgesellschaft durchzusetzen,
Verausgabe von dadurch erworbenen Geld im täglichen Erlebnis und
Inszenierungskonsum und die Vermeidung über Werte- und Sinnfragen
nachzudenken (davon wird man melancholisch).
Wertvoll und Wertlos
Welche Grundeinstellungen und Werte vermittelt das gesellschaftliche
Leben? Was ist der Sinn des Lebens und gibt es ein Danach, nach
dem unmittelbaren Leisten und Genießen? Geht es um Konflikte über
Werte-, Sinn- oder politische Fragen, kommt es zu nichts aussagenden
Wortgewandtheiten oder trifft man einfach nur auf Schweigen. Leistung
und Erfolg geben den Ton an.
Posttraditioneller Materialismus
Mag. Heinzlmaier betitelt dieses gesellschaftliche und jugendspezifischen
Denk- und Handlungsmuster mit dem Begriff des posttraditionellen
Materialismus. Dies steht für ein Lebensprinzip, das ein hohes
Sicherheitsbedürfnis und große Affinität zu materiellen Dingen
(Einkommen, Konsum, Karriere, Erlebnis) mit dem weitgehenden Fehlen
von ideologischen und institutionellen Bindungen vereint. Diese
Art von Materialismus ist ein quasi moralisch völlig unkontrollierterer,
von den meisten Wertebindungen befreiter Pragmatismus, der primär
am individuellen Eigeninteresse, am Eigennutzen des handelnden
Subjekts ausgerichtet ist.
Alles und doch nichts
Nun ist der Mensch in der heutigen Gesellschaft aber oft kein
glücklicher. Sogar im Gegenteil, herrscht doch Melancholie, Traurigkeit
und Leere in den Tiefen der menschlichen Seele. Der Preis für
das Vergnügen des materialistischen Freizeitkonsums ist hoch.
Permanenter Druck und Stress im Arbeitsleben werden zu immer größeren
Lasten. Die Rechnung geht im Endeffekt nicht auf. Die tägliche
persönliche Nutzenkalkulation zeigt, dass der Preis für kommerzielle
Vergnügungen zu hoch ist, es kommt zu einer negativen Nutzenbilanz.
Und trotzdem verharrt der postmoderne Pragmatiker in der offensichtlich
schlechten Lage, weil er nicht gelernt hat, in einem größeren
Zusammenhang zu denken und zu handeln. Quelle: Bernhard Heinzlmaier (jugendkultur.at)
Unser Kommentar: 60% der Jugendlichen die in dieser Studie befragt wurden erleben, dass der Druck in Arbeit/Schule/Studium von Jahr zu Jahr größer wird. Sie stehen sozusagen tagtäglich unter Spannung und tragen die schwere Last der Erwartung auf den noch jungen Schultern. Erwartungen von Eltern, Bekannten und der Gesellschaft. Was dabei raus kommt? Jeder Dritte hat das Gefühl, dass nur die eigene Leistung für die Umgebung wichtig ist und nicht sie selbst als Person. Umso jünger die Befragten, desto mehr stimmten sie diesen Aussagen zu. Sie empfinden die Eltern und die nähre Umgebung als Komplizen der rationalen Welt, die den Jugendlichen so viel abverlangt. Mag. Heinzlmaier formuliert treffend: "Die Eltern stehen also in den Augen vieler Jugendlicher den Bedürfnissen und Interessen der kühl rechnenden, rationalen Institutionen offener gegenüber als den emotionalen Bedürfnissen ihrer Kinder. Und das vielfach deshalb, weil in Schule und Ausbildung erfolgreiche Kinder wesentlicher Bestandteil ihres persönlichen Erfolgskonzeptes sind." Immer mehr Leistung wird also gefordert. Dafür wird man angehalten, haltlos zu konsumieren - um das Loch in der Seele zu stopfen, das keinen Boden kennt. Als die industrielle Revolution den Arbeitsmarkt veränderte und der Konsumrausch seinen Anfang nahm, hatten die Menschen mehr an Gütern, als all die Generationen zuvor. Mehr Geld, mehr Essen und mehr Freizeit. Aber die Erneuerungen und der neu gewonnene Komfort und Lebensstandart machte die Menschen nicht glücklicher Medien und Werbung versuchen es uns trotzdem einzureden - und wir wollen es auch glauben. Würden wir uns eingestehen, dass unsere tägliche Schinderei eigentlich nur alles schlimmer macht, müssten wir uns von diesem Leben distanzieren. Und dann? Hier geht es tatsächlich um Fragen, die in die Tiefe gehen. Unbequem und oft nicht leicht zu beantworten. Diesen Mühen ist es leichter aus dem Weg zu gehen und sich statt dessen einer Scheinwelt voller Lug und Trug hinzugeben. Schließlich machen das doch alle! Wer sich aber den Fragen der menschlichen Seele stellt und sich nicht von Geld und Prestige blenden lässt, wird eine innere Zufriedenheit kenne lernen, die kein materielles Gut der Welt zu geben fähig ist.
Birgit Oberwalder/Zentrum Rodaun
Epilog:
Literaturtipps:
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Johannes Czwalina: Zwischen Leistungsdruck und Lebensqualität.
Warum der Markt keine Seele hat. Bestellmöglichkeit bei amazon.at! Jon Krakauer: In die Wildnis. Allein nach Alaska. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!
Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie in unseren Beiträgen Aktuelle Aktienkurse am Wertemarkt der Jugendlichen Leistungsdruck & abwesende Väter Enormer Leistungsdruck lässt Kinder "ausrasten"
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