Medien sind mit Schuld an Zunahme von Essstörungen
Begleitkrankheiten stellen Gesundheitsbehörden vor Probleme
Berlin/Alpbach - Psychosomatikforscher warnen vor einer bedrohlichen
Zunahme von Essstörungen in den industrialisierten Ländern. Allein
in Berlin müssten über 37.000 esssüchtige Frauen versorgt werden,
so Mediziner am Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF)
der Freien Universität Berlin. Schuld daran ist nach Ansicht von
Experten nicht zuletzt das durch Werbung und Medien propagierte
Schönheitsideal vom dünnen, erfolgreichen Menschen, das gerade
auf Jugendliche einen erheblichen Einfluss ausübt.
Betroffen von Essstörungen sind vor allem Mädchen und junge Frauen,
aber auch bei Männern nehmen Esssucht, Ess-Brech-Sucht (Bulimie)
und Magersucht (Anorexie) immer mehr zu. In Deutschland leidet
nach aktuellen Untersuchungen bereits jede zehnte Frau zwischen
dem 15. und 35. Lebensjahr an einer Essstörung. Zusätzlich zum
persönlichen Leid der Betroffenen können die mit den Störungen
einhergehende Begleiterkrankungen auch die Lebenserwartung der
Patienten dramatisch herabsetzten. So nimmt die Magersucht mit
einer Sterblichkeitsrate von 15 bis 20 Prozent den Spitzenplatz
unter allen psychosomatischen Leiden ein. Angesichts dieser Entwicklung
hat das UKBF darauf hingewiesen, dass die stationären und ambulanten
Behandlungsmöglichkeiten mit dem Anstieg der behandlungsbedürftigen
Personen nicht Schritt halten könnten.
Zwar sind Werbung und Medien nicht die einzigen Ursachen für die
zunehmende Häufigkeit von Esstörungen, Medieneffekte dürften aber
zumindest indirekt das Verhalten der Konsumenten beeinflussen
und ein Klima schaffen, dem sich Jugendliche oft schwer entziehen
können. Günther Rathner, Kinderarzt an der Universität Innsbruck
und Obmann des "Netzwerkes Essstörungen" fordert daher die Medien
auf, einen positiven Beitrag zur Gesundheitsförderung zu leisten,
indem kein "gnadenloses, gesundheitsgefährdendes Schlankheitsideal"
propagiert werde. Vielmehr sollte eine gesunde Ernährung und regelmäßige
körperliche Betätigung gefördert werden und Unterschiede in Körpergröße,
Form und Gewicht akzeptiert und gezeigt werden.
Mit der Rolle der Medien bei der Ausbildung von Esstörungen beschäftigte
sich auch der Kongress "Essstörungen 2000", der vom 12. bis zum
14. Oktober im Congress Center Alpbach stattfand.
Weitere Informationen zum Thema Essstörungen finden Sie in folgenden
Beiträgen:
Magersucht: Betroffene werden immer jünger
Ess-Störungen bei Jugendlichen nehmen zu
Essverhaltensstörungen: Erste Ergebnisse einer neuen Studie
Am 4. und 5. Dezember findet im Wiener Rathaus eine Enquete zum
Thema Eßstörungen statt.