Nachlesen-Logo


 

Die Angst geht um - Panik als Familienerbe

von Birgit Oberwalder

 

Panik ist eine Form von Angst, die völlig unerwartet von einen Moment auf den anderen auftritt. Die Symptome wie Zittern oder Atembeschwerden steigern sich zu einem Höhepunkt und klingen meist innerhalb von zehn Minuten ab. Nun haben Forscher der TU Dresden nachgewiesen, dass die Panikstörung familiär gehäuft auftritt.

 

Plötzlich bricht Angst aus. Angst davor verrückt zu werden, zu sterben oder die Kontrolle zu verlieren. Das Herz rast und stolpert, der Körper zittert und es kommt zu Atembeschwerden. Diese und noch weitere Symptome erreichen schnell ihren Höhepunkt und oft ist der ganze Anfall nach zehn Minuten oder weniger vorbei. Was bleibt ist die Angst - Angst vor der nächsten Attacke und davor, diese vielleicht nicht zu überleben. Von der Panikstörung sind weltweit mehr als drei Prozent aller Männer und sechs Prozent aller Frauen betroffen.

Die Spirale dreht sich

Vor allem die Erwartungsängste bezüglich einer neuen Attacke führen zu gravierenden Verhaltensänderungen. Normale Tätigkeiten, wie mit dem Bus fahren, Einkäufe machen oder einfach Besorgungen außer Haus zu machen, werden vermieden. Allein die Vorstellung eine dieser Tätigkeiten tatsächlich erledigen, versetzt die Betroffenen in große Angst. So kommt es zu weiteren Störungen, wie zum Beispiel Platzangst (Agoraphobie). Durch den Rückzug und die Belastung durch die Angst erkranken Betroffene oft zusätzlich an Depression. Weiters treten somatoforme Störungen (wie Herzrhythmusstörungen, Hyperventilation, ?) auf und Störungen durch Substanzkonsum. Das heißt, viele Betroffene, die unter Panikattacken und der Angst davor leiden, konsumieren in einer bedenklichen Menge Alkohol oder Cannabis etc.
Panik ist eine Spirale. Wird eine (körperliche) Veränderung wahrgenommen, die durch interne oder externe Reize ausgelöst sein kann (zum Beispiel durch Stress), beginnt der oder die Betroffene in einen Strudel von katastrophisierenden Gedanken zu tauchen (er/sie empfindet eine drohende Gefahr), was dazu führt, dass körperliche Veränderungen tatsächlich passieren und diese wiederum wahrgenommen werden? - und so dreht sich die Spirale immer weiter. Am Ende steht dann die Panikattacke.

Kein Grund zur Panik

Eigentlich wissen die Betroffenen meist nicht, warum sie Panikattacken haben. Die Wissenschaft kann die Frage, was die Ursache für Panik sein könnte, nur teilweise beantworten. Wichtig erscheint der Kontext, also Werte und Vorstellungen einer Person; zusätzlichen Einfluss haben das aktuelle Stressniveau und die genetischen Einflüsse. Vor allem was letzteres betrifft, sind die Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden auf eine interessante Tatsache gestoßen.

An der größten familiengenetischen Studie nahmen 3000 Familien teil. Deren Kinder wurden bis zum 34. Lebensjahr beobachtet, und dabei fand die Forschergruppe unter der Leitung von Univ.Prof. Hans-Ulrich Wittchen vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden heraus, dass Panikstörungen familiär gehäuft auftreten. Das bedeutet, dass Kinder, die panikkranke Eltern haben, ein 2-3-fach erhöhtes Risiko haben, selbst an Panik oder Agoraphobie zu erkranken. War ein Elternteil panikerkrankt oder von Agoraphobie betroffen, so erkrankten 23 Prozent der Kinder auch an der Angststörung. Waren die Eltern panikfrei, so waren deren Kinder nur zu 8,3 Prozent von Panikattacken betroffen. Zudem stellte sich heraus, dass Kinder, die ein höheres Risiko hatten (aufgrund der vorbelasteten Eltern) nicht nur häufiger an Panik erkrankten, sondern auch früher, im Gegensatz zu Kindern aus unbelasteten Familien. Das ist insofern ungünstig, da ein früher Beginn von Angststörungen zu einem schlechteren Verlaufen der Krankheit führen kann als ein später Beginn.

Lernen am Modell

Die Frage die sich hier unweigerlich stellt und die sich auch die Forscher stellten, ist, welche Verhaltensweisen der Eltern im Umgang mit den Kindern zu so einer enormen Risikoerhöhung beitragen. Wenn man herausfindet, welches Verhalten die Eltern zeigen und wie die Kinder dadurch selbst zu Panikkranken werden, so ist eine frühzeitige Intervention sinnvoll. Gezieltes frühes Eingreifen ­ präventives Handeln ­ kann das Krankheitsgeschehen nachhaltig positiv beeinflussen. Kann richtig auf erste Anzeichen reagiert werden, kann die Spirale durchbrochen werden. Allerdings müssen, wie erwähnt, die Mechanismen erst genau durchschaut werden um effektiv vorgehen zu können.

Eine wichtige Möglichkeit, die jetzt schon zur Verfügung steht, ist die Behandlung der panikkranken Eltern. Schließlich, so meint Professor Wittchen, sind erfolgreich behandelte Eltern die beste Prävention. Nicht einmal jeder dritte Krankheitsfall in Deutschland wird derzeit durch das Versorgungssystem erkannt und angemessen behandelt, was dringend geändert werden muss. Professor Wittchen erklärte, dass mit der kognitiven Verhaltenstherapie eine hochwirksame Therapie zur Verfügung steht, diese aber leider nur selten auch den Betroffenen bekannt ist und selten von spezialisierten Therapeuten angeboten wird. Daher wurde nun in Deutschland in einer bundesweite Mulizenter-Studie mit Förderung des BMBF unter der Leitung der TU Dresden an sechs Zentren an einer optimierten Paniktherapie geforscht.

Quelle: MedAustria

 

 

Unser Kommentar: Es ist wohl kaum vorstellbar wie es sein muss, plötzlich wie aus heiterem Himmel zu glauben, sterben zu müssen oder verrückt zu werden. Das Herz stolpert und rast in der Brust, der Körper zittert und bebt, Schweiß ­ kalt und heiß ­ läuft den Rücken runter und in der nächsten Minute erstickt man. Zumindest kommt es den Betroffenen so vor. Menschen die unter Panikattacken leiden, bekommen Ohnmachtgefühle, erleben Depersonalisierung und eigentlich wirkt alles total unwirklich. Die Furcht zu sterben, die Kontrolle zu verlieren oder einfach durchzudrehen. Eine Furcht, die man ­ wenn man sie einmal verspürt hat ­ nie wieder erleben möchte. Obwohl sich das ganze in ziemlich kurzer Zeit abspielt, hinterlässt der Anfall schlimme Nachwirkungen. Eine neue Angst macht sich breit. "Was ist, wenn ich das wieder erlebe?" oder "Wenn ich das noch einmal durchmachen muss, sterbe ich garantiert!" Die Angst vor der Angst ist eine Spirale, die sich immer weiter dreht. Nun vermeidet man alles, was irgendwie damit zusammen hängen könnte oder vielleicht auslösend sein könnte. Rückzug, Einsamkeit, weitere Ängste und nicht selten der Griff zu Suchtmitteln ist die Folge. Wie müssen Kinder das empfinden, wenn die Eltern, oder ein Elternteil unter solcher Angst leiden? Dass die Erkrankung der Eltern Auswirkungen auf die Kinder hat, scheint nun ziemlich gesichert zu sein. Hier heißt es also Ansetzten und neben der Betreuung von betroffenen Panikerkrankten, muss man auch auf eventuell vorhandene Kinder achten. Das Umfeld einer unter solcher Angst leidenden Person kann nicht unbetroffen bleiben, wenn man sich das Ausmaß einer solchen Erkrankung vorzustellen versucht. Das sagt wohl der Hausverstand und nun ist es auch wissenschaftlich gesichert. Warum aber noch immer so viele Betroffene keine Hilfe erhalten, kann allerdings kein neues Problem sein und warum dieses erst jetzt in Angriff genommen wird, ist für mich eigentlich etwas unverständlich.

Birgit Oberwalder/Zentrum Rodaun

 

 

Literaturtipps:

Doris Wolf: Ängste verstehen und überwinden. Wie sie sich von Angst, Panik und Phobien befreien. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Roger Baker: Wenn plötzlich die Angst kommt. Panikattacken verstehen und überwinden. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Shirley Tickett: Angstzustände und Panikattacken erfolgreich meistern. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

 

Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie in unseren Beiträgen

Leistungsdruck & abwesende Väter

Die Ängste der Kinder

 

 


Zentrum Rodaun, 1230 Wien, Kaltenleutgebnerstraße 13A / 23
Tel: 01/8892572, e-mail: team@zentrum-rodaun.at