Bedingungslose Liebe von Simone Georgieva
Tiere lieben Menschen weitgehend bedingungslos. Sie zeigen ihre Zuwendung unabhängig von der Attraktivität eines Menschen, oder von dessen körperlichem oder geistigem Zustand. Menschen können durch diese bedingungslose Akzeptanz Vertrauen aufbauen und auch zwischenmenschlichen Beziehungen vertrauensvoller und positiver entgegentreten.
Tiere wirken in vielfältiger Weise positiv auf den Menschen. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Studien, die die heilsame und gesundheitsfördernde Wirkung von Hunden, Katzen, Hamstern, Kaninchen, Pferden,… belegen. Tiere sind eine emotionale Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen, sie wirken heilsam bei körperlichen und psychischen Erkrankungen, fördern soziale zwischenmenschliche Kontakte und Kompetenzen und wirken positiv auf die kindliche Entwicklung. Besonders Erwachsene und ältere Menschen, die nur mehr über ein kleines Beziehungsnetzwerk verfügen, sehen in ihrem Haustier ein Familienmitglied, einen Freund und Weggefährten. Auch diverse Berufsfelder haben die besondere Wirkung der Mensch-Tier-Interaktion erkannt und in ihre Arbeit integriert. Die Mensch-Tier-Beziehung erfüllt viele, zentrale psychosoziale Bedürfnisse und der Kontakt ermöglicht es, emotionale und körperliche Nähe aufzubauen und zuzulassen. Tiere zeigen ihre Zuwendung unabhängig davon wie ein Mensch aussieht, oder welchen Gesundheitszustand er aufweist - genau diese bedingungslose Akzeptanz und Zuwendung macht den Kontakt zu Tieren so besonders. Vertrauen fassen Die Fähigkeit Bindungen zu anderen Menschen auszubauen, ist grundlegend für das Vorhandensein von psychischer Gesundheit. Die Basis für soziale und emotionale Bindungen stellt der Mutter-Kind-Interaktionsstil dar. Ist die Bindung zur primären Bezugsperson unzureichend oder unsicher, so spiegelt sich dies in späteren sozialen Beziehungen wider und kann auch zu psychischen Problemen führen. Die Mensch-Tier-Interaktion ermöglicht es, korrektive Erfahrungen machen zu dürfen und bietet die Möglichkeit, sichere Bindungserfahrungen zu sammeln. Tiere zeigen konstante, kontinuierliche Zuneigung und die Reaktion von Tieren ist berechenbar und abschätzbar. Das unverfälschte Verhalten von Tieren, ohne Lügen, Hintergedanken und Zweideutigkeiten macht die tierische Reaktion zuverlässiger als jene von Menschen. Insbesondere bei instabilen Familienverhältnissen ist dies von Bedeutung, da andere Menschen als unberechenbar erlebt wurden. Tiere geben unter unbeständigen Verhältnissen Sicherheit und Halt, was letztlich auch das Vertrauen in zwischenmenschliche Beziehungen stärkt. Kuschelige Freunde Tiere üben auf Kinder eine große Anziehungskraft aus. Haustiere sind für Kinder Spielkameraden, Freunde, stille Zuhörer und tröstlich in schwierigen Situationen. Sie kommen dem kindlichen Bedürfnis nach Bewegung, körperlicher Zuwendung und Berührung entgegen. Die Mensch-Tier-Beziehung bringt Kindern auch natürliche Lebensprozesse näher: Kinder werden mit Themen, wie Fürsorge, Verantwortung, Nähe- Distanz, Geburt, Sexualität, Krankheit und Sterblichkeit konfrontiert und lernen diese besser zu verstehen. Kinder, die sich um ein Tier kümmern, lernen soziale Verantwortung zu übernehmen, was förderlich für das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein ist. Sie erlernen Pflichtbewusstsein, Geduld, eigene Bedürfnisse hintan zu stellen, etc. Zudem werden auch empathische Fähigkeiten gefördert. Kinder vermögen sich besser in Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen einzufühlen. Dieser Effekt beruht darauf, dass die Mensch-Tier-Interaktion nonverbal erfolgt und Kinder eine gute nonverbale Kommunikationsfähigkeit entwickeln können, die auch auf die zwischenmenschliche Verständigung übertragen werden kann. Einerseits wird das Vermögen die Mimik und Gestik anderer zu deuten verbessert, andererseits auch die Fähigkeit selbst nonverbale Gesten zu produzieren und zu übermitteln. 75 Prozent der menschlichen Kommunikation erfolgt nonverbal. Während verbale Inhalte bewusst verfälscht werden können, erfolgt die nonverbale Interaktion meistens unbewusst und ist unverfälschter und ehrlicher. Da sich Tiere nicht verbal mitteilen können, besteht die Notwendigkeit, sich in Wünsche und Bedürfnisse eines Tieres hinein zu fühlen. Kinder, die Tiere quälen, weisen einen Mangel an empathischen Fähigkeiten auf und sind häufig selbst Opfer von Gewalttätigkeiten. Das Wissen um die positive Wirkung von Tieren auf die kindliche Entwicklung macht sich auch das Schulwesen zu Nutze. Die Anwesenheit von Hamstern, Kaninchen, Schulhunden und verschiedenen anderen Tieren hat positiven Einfluss auf die Klassengemeinschaft und auch auf die Lehrer-Schüler-Interaktion. Das Klima in derartigen Klassen ist entspannter und weniger aggressiv, der Umgang miteinander ist kooperativer und freundlicher, als in Vergleichsklassen ohne Tiere. Gemeinsam statt einsam Besonders ältere Menschen profitieren von der Wirkung von Tieren auf den Menschen. Viele ältere Personen haben ein kleiner gewordenes Netzwerk an sozialen Kontakten. Sie leben häufig zurückgezogen und fühlen sich einsam. Tiere nehmen in solchen Fällen einen besonderen Stellenwert ein, sie werden zu einer wichtigen Bezugs“person“, einem Familienmitglied und Lebensbegleiter. Das Tier wird zum Ansprechpartner, dem Sorgen und Probleme anvertraut werden können. Haustiere bringen Strukturen und Routine in das Leben und unterstützen den Besitzer dabei, aktiv zu bleiben und sich nicht passiv zurückzuziehen und fallen zu lassen. Sie vermitteln dem Halter das Gefühl gebraucht zu werden und ermöglichen Nähe und unmittelbaren körperlichen Kontakt und Zärtlichkeit- Bedürfnisse, die ältere Menschen häufig entbehren müssen. Tierische Freunde lenken die Aufmerksamkeit von Sorgen weg, hin zu positiven Aspekten des Lebens. Die bloße und unbeschwerte Freude von Tieren an der eigenen Existenz scheint ihre Besitzer anzustecken. Haustiere fördern zudem nachweislich zwischenmenschliche Kontakte. Personen die beispielsweise einen Hund besitzen, sind gezwungen regelmäßig außer Haus zu gehen. Dies fördert nicht nur die körperliche Aktivität, sondern auch Sozialkontakte. Personen mit Hunden werden deutlich häufiger angesprochen, da sich vorweg ein Gesprächsthema anbietet und generell scheinen Tierbesitzer positiver bewertet zu werden als „Nichttierbesitzer“. Ältere Personen, die ein Haustier besitzen, nehmen weniger oft Gesundheitsdienste in Anspruch und weisen eine kürzere Verweildauer in Krankenhäusern auf, da sie schnellst möglich zu ihrem Tier zurück möchten. Verwahrloste ältere Menschen können durch Tierbesuchsdienste wieder zu sozialen Kontakten und Kommunikation, sowie zu einer besseren Selbstversorgung animiert werden. Auch in Altersheimen haben regelmäßige Tierbesuche, oder Tiere die vor Ort gehalten werden, positive Wirkung auf das Wohlbefinden von Senioren. Der Kontakt fördert das Orientierungsvermögen und die Gedächtnisleistung, vor allem bei dementen Personen. Tiergestützte Therapie Der Kinderpsychiater Levinson erkannte erstmals die therapeutisch heilsame Wirkung von Tieren auf den Menschen. Er erkannte, dass Tiere Wegbereiter und Eisbrecher für zwischenmenschliche Kontakte darstellen und nützlich sind, um eine Beziehungsbrücke zwischen Therapeuten und Klienten zu schlagen. Der Kontakt zu Tieren ermöglicht es Patienten sich emotional zu öffnen, langsam Vertrauen zu fassen und dieses auch auf die zwischenmenschliche Ebene zu übertragen. Besonders traumatisieren Personen, wie z.B. nach Gewalt- oder sexuellen Missbrauchserfahrungen, fällt es schwer Vertrauen aufzubauen. Ursprünglich setzte der Kinderpsychiater Levinson vor allem Hunde und später auch diverse andere Haustiere zur Behandlung von Kindern mit emotionalen und affektiven Entwicklungsstörungen ein. Tierische Helfer sind neben Hunden verschiedenste andere Tierarten, wie Katzen, Pferde, Ziegen, Lamas, Kanarienvögel, Gänse, oder auch Delphine, Fische und Reptilien. Die Auswahl der Tierart richtet sich nach der Zielgruppe, Zielsetzung und dem Setting der Therapie. Kinder mit geistigen Behinderungen und Kinder mit Downsyndrom können durch den Umgang mit einem Hund ihre Aufmerksamkeits- und Reaktionsleistung deutlich verbessern. Bei verhaltensauffälligen Kindern und Alzheimerpatienten können durch den Einsatz von Heim- und Therapietieren aggressive und depressive Phasen reduziert werden. Sehr zurückgezogene, abgekapselte Patienten und bettlägerige Patienten, die kaum auf Ansprache reagieren, zeigen durch den Tierkontakt wieder vermehrt Interesse an ihrer Umwelt und ein gesteigertes Kommunikations- und Interaktionsverhalten. Eindrücklichstes Beispiel sind Delphintherapien bei autistischen Patienten. Besonders bei Patienten mit Sozialphobie, Essstörungen, oder ADHS ist eine tiergestützte Therapie wirksam, da Betroffene sich in ihrer Gefühlswelt öffnen können und Barrieren zum Therapeuten überwunden werden. Patienten mit Essstörungen sprechen besonders gut auf eine Hippotherapie an. Generell wirkt der Kontakt zu Tieren stressreduzierend und entspannt durch die Berührung des Fells, das Spüren des Herzschlages, der Atmung und Wärme. Natürlich haben auch Tiere Bedürfnisse, die es zu befriedigen gilt und sich die positive Wirkung auf Menschen vor allem dann entfalten kann, wenn sich ein Tier wohl fühlt. Insofern ist Tierliebe vermutlich bedingungsloser als jene von Menschen, aber sie besteht dennoch aus einem Geben und Nehmen. Sofern den Bedürfnissen entsprochen wird, steht einer ungezwungenen Begegnung und gegenseitigen Liebe zwischen Mensch und Tier nichts im Wege. Quelle: Nestmann, Forschungskreis
Simone Georgieva/Zentrum Rodaun
Literaturtipps: Christoph Schluep: Mit Tieren auf dem Weg: Warum das Leben mit Tieren glücklich macht. Bestellmöglichkeit bei amazon.at! Erhard Olbrich, Carola Otterstedt: Menschen brauchen Tiere: Grundlagen und Praxis der tiergestützten Pädagogik und Therapie. Bestellmöglichkeit bei amazon.at! Marty Becker: Heilende Haustiere: Wie Hund, Katze und Maus Sie seelisch und körperlich gesund halten. Bestellmöglichkeit bei amazon.at! Reinhold Bergler: Warum Kinder Tiere brauchen. Informationen, Ratschläge, Tipps. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!
Spiegelungen - interpersonelle Imitation und Resonanz
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