Von Vaterschaft zu Vater - schafft von Birgit Oberwalder
Väter bilden eine gigantische emotionale Reserve innerhalb der Gesellschaft, und diese Ressource könne und müsse man noch erheblich stärker anzapfen. Schädliche Nebenwirkungen sind nicht zu erwarten, schreibt der Psychologe Kyle Pruett von der Universität Yale. Er sieht hier erhebliches Potenzial: "Schließlich ist die Ressource natürlich, erneuerbar und weitgehend ungiftig".
Ein neues Bild des Vater-Seins zeigen neue Studien auf, die sich
mit der Frage beschäftigten, wie wichtig denn nun ein Vater für
den Nachwuchs ist, abgesehen von der biologischen Zeugung. Was
und wie denn ein Vater ist, hat heute weniger mit der Biologie
zu tun, denn mit der sozialen Komponente. Das klassische Familienmodell
läuft aus und wird ersetzt durch die sogenannte Patchwork-Family.
Das heißt, der Vater ist nicht unbedingt der Zeuger, das Kind
ist angenommen, die Partnerin bringt Kinder aus der früheren Beziehung
mit, die aber nicht die eigenen sind, sondern adoptiert, Patch-Work
eben.
Alte Klischees und neue Rollen
Die Rolle des Vaters vom strengen Ernährer, der dem Nachwuchs
eher fremd als bekannt ist, der sich lediglich um Finanzen kümmert
und erst spät am Abend nach Hause kommt, um dann gleich im Arbeitszimmer
zu verschwinden und sich erst für den Nachkommen interessiert,
wenn man mit diesem "etwas anfangen" kann, ist veraltet. Heute
ist es zumindest unter den 45- Jährigen Vätern längst die Norm,
ein aktiver, partnerschaftlicher Vater zu sein. Väter auf Spielplätzen
sind auch kein seltener Anblick mehr. Sie kennen die Kleidergröße
ihres Nachwuchses, oder wickeln Kinder auf Frauentoiletten (auf
Herrenklos sind Wickeltische eine Rarität). Heute sind bereits
90 von 100 Vätern bei der Geburt anwesend, was in den siebziger
Jahren sogar teilweise unerwünscht war.
Was sich auch stark verändert hat, ist die emotionale Offenheit
der Väter gegenüber dem Nachwuchs. Die Soziologinnen Ute Gonser
und Ingrid Hellbrecht-Jordan beobachteten, dass die Männer heute
gefühlsoffener, weicher, zärtlicher und fürsorglicher sind, ja
sogar Schwäche zeigen. Dies wurde bis jetzt unterschätzt, denn
die Zuwendung des Vaters zum Kind ist um vieles wichtiger, als
bisher angenommen.
Mehr als nur Ernährer
Wie wichtig die Zuwendung des Vaters ist, zeigt die Studie des
Psychologenteams um Karin Grossmann und Heinz Kindler von der
Universität Regensburg. Sie untersuchten den Umgang verschiedener
Väter mit ihren Kindern über viele Jahre hinweg. Die Erkenntnisse
daraus entsprechen nicht den bisherigen Annahmen einer geringen
Einflusskraft des Vaters auf die Kinder. So hängt die Feinfühligkeit
des Vaters beim Spiel stark und eindeutig mit dem Bindungsverhalten
der Kinder noch im Alter von 16 und 22 Jahren zusammen.
Anna Neumann fand weiters heraus, dass der Einfluss sogar soweit
geht, dass sie als Erwachsene in ihren Beziehungen jenes Verhalten
aufzeigen, das ihnen im Spiel von ihrem Vater gezeigt wurde. Das
heißt, dass wenn der Vater beispielsweise aufmerksam und geduldig
war, sind es die Kinder als Erwachsene auch zu ihren Partnern.
Erlebten Erwachsene in der Kindheit den Vater als unsensibel,
so haben sie weit mehr Probleme in der Partnerschaft und sind
auch misstrauischer. Die Feinfühligkeit der Mutter im Spiel erwies
sich als untergeordnet. In einer Studie aus England, die eine
größere Anzahl von Kindern die in den Jahren 2000 und 2001 geboren
wurden untersuchte, stellte sich heraus, dass die Wahrscheinlichkeit
von Entwicklungsstörungen größer war, wenn die Väter nicht die
flexible Arbeitszeitregelung des Arbeitgebers in Anspruch nahmen
und wenn überhaupt nur Urlaub für die Zeit um die Geburt und
keinen Vaterschaftsurlaub nahmen (im Gegensatz zu denen, die das
taten). Auch zeigte sich dieses Ergebnis, wenn die Väter die gesamten
häuslichen Angelegenheiten der Frau übertrugen, anstatt sich zu
beteiligen
Wenn die Mutter Vater-schafft verhindert
Die Frage, ob denn dem Mann überhaupt die "biologische Sensibilität"
gegeben ist, für den Nachwuchs zu sorgen, ist traditionell. Immerhin
sollte die Frau als Mutter besonders von der Natur auf die Mutterschaft
vorbereitet sein. Was man seit kurzem weiß ist, dass auch werdende
Väter ganz ähnliche Hormonausschläge erleben, wie die schwangere
Frau, nur eben mit einer geringeren Intensität. Dies geht soweit,
dass immerhin bis zu 65 Prozent aller werdenden Erstväter Schwangerschaftssymptome
wie Müdigkeit, Appetitschübe inklusive Gewichtszunahme, Stimmungswechsel,
Kopfschmerzen bis hin zu Depressionen erlebt.
Väter in Karenz Die Wichtigkeit der Anwesenheit des Vaters, die außer Frage steht, stellt viele Familien jedoch vor ein Problem. Wie können beide Elternteile ausreichend Zeit mit dem Nachwuchs verbringen, ohne dass dies Auswirkungen auf das Einkommen hat? Die wohl häufigste Lösung ist, dass die Frau zu Hause bleibt und der Mann arbeitet. Dass der Mann Vaterschaftsurlaub nimmt, scheint heute noch eher ungewöhnlich nur etwa 5% der in Frage kommenden Männer tun das; und die wie eh und je bestehende Ungleichheit des Einkommens zwischen Männern und Frauen trägt sicher auch ihren Teil dazu bei. Auch sind die meisten Arbeitgeber wenig erfreut über solche väterlichen Anwandlungen. Erste Schritte in der Gesetzgebung weisen zumindest in eine positive Richtung und lassen hoffen, dass es auch in Zukunft den Vätern ermöglicht wird, wertvolle Zeit mit den Kindern und deren Erziehung zu verbringen. Angesichts der angespannten Lage am Arbeitsmarkt scheint dies jedoch ein sehr langer Weg zu sein. Stehen doch vor allem Eltern mit niedrigerem Bildungsniveau oder aus ärmeren sozialen Schichten vor dem Problem, dass beide Teile erwerbstätig sein müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Das Risiko den Arbeitsplatz zu verlieren geht hier meist keiner ein, beziehungsweise sind Möglichkeiten wie flexible Arbeitszeiten oder "extra Urlaub" nicht gegeben. Ansprüchen auf Zeit für die Familie fordern Eltern mit höherer Bildung, höherem Einkommen und besseren Jobs eher ein. Quelle: GEO, telepolis
Unser Kommentar: "Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr"- ein altbekannter Ausspruch, dessen Neuüberarbeitung längst ins Haus steht. Vatersein ist wichtiger als angenommen und nicht so leicht vom Tisch zu kehren. Auch wenn dies einige Mütter ungern hören werden, spielt die Anwesenheit und das Beschäftigen des Vaters mit dem Sprössling eine wichtige Rolle. Davon ist auch die Beziehungsfähigkeit des Kindes in späteren Jahren abhängig. Somit hat das Bild vom" Samenspender- keine weiteren Funktionen" endgültig ausgedient. Auch Väter fühlen diese intensive Vater-Kind-Bindung, und wenn die Frauen es zulassen, kümmern sie sich auch um die Windeln und ähnliches. Diese alleinige Herrschaft über Haus und Kinder, die den Frauen über Jahrhunderte zugesprochen war, hat ihre Prägung tief in das mütterliche Herz und Hirn gebrannt. Jetzt die Fäden aus der Hand zu geben und dem männlichen Partner Aufgaben und Verantwortung für das Kind zu übertragen, kommt für manche Frau einer Kapitulation gleich. Aber wie heißt es so schön? Gleichberechtigung! Die jüngeren und zukünftigen Generationen werden sich hier wohl leichter tun, da Frauen auch selbstbewusster und "stärker" geworden sind. Eine Frau wird nicht nur mehr über die Anzahl an Kindern und der Genießbarkeit des sonntäglichen Schweinebratens gewertet. Bildung, Berufserfolg und Selbstverwirklichung, in welcher Form auch immer- kurz gesagt- Unabhängigkeit gibt den Frauen und Müttern genug Selbstbestätigung und lässt sie leichter die Kinder mit dem Vater "teilen". So wird es vielleicht bald Geschichte sein, dass der Vater, der sich zuhause um den Nachwuchs kümmert, als unmännlich abgewertet wird und die erwerbstätige Mutter, die für das Einkommen in der Familie sorgt, als Rabenmutter beschimpft wird.
Birgit Oberwalder/Zentrum Rodaun
Links: Thomas Pany: Nicht ohne meinen Vater. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24794/1.html Väter - besser als ihr Ruf. GEO Magazin Nr. 01/01. http://www.geo.de/GEO/kultur/gesellschaft/780.html?p=6
Literaturtipps:
Jens Oenicke: Der werdende Vater Anleitung zur perfekten Vaterschaft.
Anregung einer Hebamme sowie Tipps von Vätern und Müttern. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!
John Eldredge: Mach mich stark fürs Leben. Was nur Väter ihren
Kindern geben können. Bestellmöglichkeit bei amazon.at! Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie in unserem Beitrag Leistungsdruck & abwesende Väter |
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