Jugend und Drogen
Drogenpolitik erhitzt die Gemüter
Sachliche Diskussionen erweisen sich als schwierig und sind oft
von Fehlinformation und irrationalen Ängsten geprägt. In allerjüngster
Vergangenheit wurde das auch von einer politischen Partei vorexerziert.
Hängen die Verfechter des harten Durchgreifens dem Traum einer
drogenfreien Gesellschaft nach, die sie mit Hilfe des Strafrechtes
zu verwirklichen suchen, sehen Anhänger einer liberalen Drogenpolitik
in der Kriminalisierung des Drogenkonsums mehr Schaden als Nutzen.
Das Abdrängen der Drogenkonsumenten in die Illegalität erschwere
deren Betreuung und Beratung und habe weitreichende Folgen für
deren Gesundheit und gesellschaftliche Integration. Die künstlich
aufrecht erhaltene Dichotomie zwischen legalen und illegalen Drogen
- Geschäftsinteressen dürften dabei mit eine Rolle spielen - zeigt
sich auch am Umgang mit dem Problem "Alkohol am Steuer": die Reduktion
des zulässigen Blutalkoholspiegels war lange umstritten.
Cannabis-Konsum weitverbreitet
Seit langer Zeit versuchen die Gegner der vorherrschenden Prohibitionspolitik
zumindest den Konsum von "weichen Drogen" wie Cannabis zu legalisieren.
"Weltweit wird die Zahl der Cannabis-Konsumenten auf etwa140 Millionen
Menschen geschätzt, die Zahl der Heroinkonsumenten auf 8 Millionen",
erklärt Claudia Fenz, Juristin und Mitarbeiterin des Vereins Bewährungshilfe
und Soziale Arbeit. Dem Bericht zur Drogensituation 2000 des Österreichischen
Bundesinstitutes für Gesundheitswesen ist zu entnehmen, dass jeder
dritte 16- bis 22-Jährige Cannabis probiert hat. In Vorarlberg
wird davon ausgegangen, dass rund 30 Prozent der 15- bis 25-Jährigen
Cannabis konsumieren. "Der überwiegende Teil der angezeigten Drogendelikte
in Österreich betrifft Cannabis-Konsum", gibt die Juristin zu
bedenken. "Es ist zu überlegen, ob es sinnvoll ist, all diese
vorwiegend jungen Menschen zu kriminalisieren", meint die Expertin.
"Vor allem auch deshalb, weil bis jetzt die strafrechtliche Verfolgung
nicht sehr erfolgreich war". Die Schweiz möchte nun den Weg der
Niederlande und Belgiens einschlagen und den Konsum von Cannabis
straffrei stellen. Auch in Portugal ist seit kurzem der Besitz
und Konsum von Drogen keine Straftat mehr. Beides ist zwar illegal,
eine Übertretung wird aber nicht mehr strafrechtlich sondern verwaltungsrechtlich
verfolgt.
Österreichische und Deutsche Gesetze
In Österreich ist der Besitz von Cannabis verboten, ebenso Erwerb,
Überlassung, Einfuhr, Ausfuhr und Werbung. Werden Liebhaber dieser
Droge mit einer geringen Menge (diese liegt zwischen 0,0025 bis
2 g THC) erwischt, blüht ihnen eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe
bis zu sechs Monaten. Höhere Strafen gibt es für Personen, die
größere Mengen bei sich haben, in organisierter Form damit Handel
treiben oder die Droge an Jüngere weitergeben. Der Erwerb oder
Besitz geringer Mengen Cannabis muß nicht automatisch zu einer
strafrechtlichen Verfolgung führen. Die Behörde kann von einer
Anzeige absehen bzw. der Staatsanwalt die Anzeige für eine Probezeit
von zwei Jahren zurücklegen. Wiederholungstäter müssen sich "gesundheitsbezogenen
Maßnahmen" unterziehen, wollen sie eine Zurücklegung der Anzeige
erreichen. In der Regel bestehen diese im Abliefern von Harntests
und in einem Beratungsgespräch. In Deutschland ist die Gesetzeslage
ähnlich, der Strafrahmen bewegt sich zwischen Geldstrafe und bis
zu vier Jahren Freiheitsentzug.
Cannabis: identitätsstiftende Freizeitdroge?
Laut einer Studie des Ludwig Boltzmann-Institutes für Suchtforschung
und des Österreichischen Jugendforschungsinstitutes liegt der
Cannabiskonsum in der Szene der Raver und der Fun-Sportler besonders
hoch. Ein wesentlicher Grund für die hartnäckige Beibehaltung
des Cannabis-Verbotes, liegt in der Annahme, dass dieses nicht
genossen werden könne, ohne süchtig zu machen. Cannabis wird auch
häufig als Einstiegsdroge bezeichnet, die den Weg zu härteren
Drogen ebnet. Annahmen, die in zahlreichen wissenschaftlichen
Studien widerlegt werden konnte. "Die Prohibitionspolitik lenkt
unsere Aufmerksamkeit auf die Problemfälle", meint Sebastian Scheerer,
Kriminolge an der Universität Hamburg. "Die große Anzahl der Konsumenten,
die ihre Drogen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen problemlos
zu sich nehmen, sind ja unter den herrschenden Gegebenheiten nicht
sichtbar." Drogenkonsum, so Scheerer, sei heute vielfach fixer
Bestandteil der Freizeitkultur und ist viele Menschen Teil ihrer
Identität: Eher Ausdruck eines Lebensstils als einer Krankheit.
"Es ist schwierig, jemandem zu erklären, er darf in seiner Freizeit
ohne Probleme in halsbrecherischem Tempo eine schwarze Piste hinunter
rasen, aber der Joint ist verboten." In einer offenen Gesellschaft
seien starke Argumente notwendig, wolle man eine Klasse von Substanzen
dem Markt und somit auch der autonomen Verfügung der Individuen
entziehen.
Aufklärung statt Verbot
Scheerer will mit dieser Argumentation nicht als Fürsprecher des
Rechts auf Selbstzerstörung gelten. Er tritt für eine offene Gesellschaft
ein, die einen verantwortungsvollen Umgang mit Drogen ermöglichen
soll. Drogenkonsum könne seiner Meinung nach nur dann auf selbstverantwortliche
Weise geschehen, wenn das notwendige Wissen über deren korrekte
Anwendung vorhanden sei. Ein prinzipielles Verbot stünde einer
sachlichen Vermittlung dieser Informationen im Wege. "Das führt
dazu, dass heute Drogen ausprobiert werden, deren Qualität nicht
kontrolliert wird. Es geschieht heimlich, ohne Wissen über korrekte
Dosierung, Wirkung und Nebenwirkung". Dem versucht das Projekt
"ChEckiT!" zu begegnen, bei dem die Zusammensetzung des in Form
von Partydrogen konsumierten giftigen Chemie-Cocktails in einem
mobilen Drogenlabor anonym überprüft werden kann und die Jugendlichen
eine Rückmeldung über eine mögliche Gesundheitsgefährdung der
untersuchten Substanzen erhalten.
Suchtpotential gering
Der Glaubenskrieg um das Suchtpotential tobt spätestens seit
der Forderung der Flower-Power-Generation nach Legalisierung
auch auf wissenschaftlicher Ebene. Forschungsprojekte gegen die
Droge werden seitdem insbesondere von der amerikanischen Regierung
mit sehr viel Geld gefördert. Den erneuten Vorstoß der US-Drogenexperten
im letzten Herbst hält Experte Rainer Schmidt, Toxikologe und
Drogenexperte am Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH), für weniger
wissenschaftlich als politisch motiviert: "Die ehemaligen Hippies
sind der lebende Gegenbeweis. Würde Haschisch wirklich abhängig
machen, hätten wir eine Heerschar von massiv süchtigen 50- bis
60-Jährigen."
Zu einem beruhigenden Ergebnis kam eine vom deutschen Bundesministerium
für Gesundheit 1997 vorgestellten Studie, die 1458 Kiffer über
einen Zeitraum von drei Jahren beobachtete: Lediglich zwei Prozent
der Teilnehmer zeigten der Untersuchung zufolge Zeichen der Abhängigkeit,
und zwar rein psychischer Natur. Da die Gefahr körperlicher Abhängigkeit
nicht bestand, lautete das Resümee der Untersucher: "Der Ausstieg
aus dem Cannabis-Konsum kann unabhängig von der Dauer des Konsums
jederzeit erfolgen." Dieser Ansicht hat sich sogar das Bundesverfassungsgericht
angeschlossen. Die Fachleute streiten trotzdem weiter.
Psychodynamische Auswirkungen
Der ärztliche Leiter der sozialmedizinischen Drogenberatungsstelle
Ganslwirt in Wien, Johannes Haltmayer, relativiert einerseits
die körperlichen Auswirkungen von Cannabis: "Im direkten Vergleich
schneidet Alkohol in toxikologischen Studien deutlich schlechter
ab." Andererseits warnt er Jugendliche: "Die Pubertät ist eine
entwicklungspsychologisch problematische Zeit. Das Erwachsenwerden
verursacht einen innerlichen Druck. Cannabis bietet die vermeintlich
schnelle Lösung, unterdrückt negative Empfindungen und macht sie
aushaltbar. Für psychische Probleme können nach und nach keine
anderen Lösungen gefunden werden, als mehr und häufiger zu rauchen.
Die innere Bereitschaft, Konflikte zu lösen, geht mehr und mehr
zurück. Dies ist schwer wieder aufzuheben und betrifft vor allem
Jugendliche ohne gesundes soziales Umfeld. Ein Nachreifungsprozess
in Form einer psychotherapeutischen Behandlung ist das Mittel
der Wahl."
Quellen: surfmed.at, LBISucht, ÖIJ
Zum Thema Cannabis hat das Gesundheitsportal surfmed.at ein online-Forum eingerichtet.
Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie in den
Beiträgen "Gefahr durch schwere Gifte in Party-Drogen", "Drogenprävention: Kids lernen 'Nein' sagen" und "Starke Kinder werden nicht süchtig"
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