Was virtuelle Welten so anziehend macht von Simone Georgieva
Tetris, Super Mario, World of Warcraft,….Computerspiele machen Spaß und sprechen eine breite Zielgruppe an. Ob jung, ob alt, für jeden ist etwas dabei im umfangreichen Spielesortiment. Wer welche Spiele mag und wie sich Menschen innerhalb virtueller Welten verhalten, diese und andere Fragen stellten sich Forscher der Tu Chemnitz.
Prof. Dr. Peter Ohler der TU Chemnitz beschäftigte sich in seiner Professur gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Georg Valtin, Daniel Pietschmann, sowie unter Mithilfe von Studenten mit diversen Forschungsfragen rund um das Thema Computerspiele. „Computerspiele nehmen einen großen Zeitrahmen in der Freizeitgestaltung ein und die Spieleindustrie ist enorm umsatzstark - deshalb sind Computerspiele seit einigen Jahren zurecht ein bedeutungsvoller Forschungsgegenstand", so Prof. Dr. Peter Ohler. …von Pac-Man bis hin zu virtuellen Welten PC-Spiele erfreuen sich seit geraumer Zeit großer Beliebtheit. Anfänglich waren die Spiele sehr einfach gestaltet und vor allem durch elektronische Spielautomaten zugänglich. Das allererste Computerspiel war vermutlich „Tennis for two “ und wurde 1958 vom Amerikaner William Higinbotham entwickelt. Es folgten viele weitere, wie zum Beispiel die Klassiker Pac- Man, oder Bubble Bobble. Die rasant voranschreitende Entwicklung der Computertechnologien machten die Spiele immer komplexer und reeller und vor allem Online Rollenspiele fanden eine große Anhängerschaft. „World of Warcraft“ ist beispielsweise ein 2004 veröffentlichtes Online-Rollenspiel, das mit mehr als elf Millionen Spielern derzeit weltweit den Markt beherrscht. Der Umsatz beläuft sich jährlich auf über eine Milliarde Dollar und das Spiel ist somit eines der profitabelsten Unterhaltungsmedien. Online Rollenspiele werden manchmal auch als „second life“ bezeichnet, da Spieler neben dem „Echtleben“ in eine zweite Realität eintauchen. Im virtuellen Leben können dann diverse Rollen und Charaktere gemimt, oder auch verschiedene Haupt- und Nebenberufe erlernt werden. In „World of Warcraft“ stehen zum Beispiel Druiden, Hexenmeister, Jäger, Krieger, Magier, oder Schurken als Charaktere zur Verfügung und Berufe, wie Alchemist, Schneider, Kürschner, Schmied, oder „Verzauberer“. Im Rahmen des Spiels müssen diverse Missionen erfüllt werden. Es gilt Monster zu besiegen und unbekannte Gebiete zu erforschen, um möglichst viele Erfahrungspunkte und andere Belohnungen zu sammeln. Über Chatkanäle können sich Spieler gegenseitig miteinander austauschen. Welche Charaktere Spieler auswählen und wie sich Spieler innerhalb virtueller Welten verhalten, dieser Forschungsfrage gingen Mitarbeiter und Studenten der Professur auf den Grund. Avatare Spieler benötigen in virtuellen Welten einen fiktiven Stellvertreter ihrer selbst, einen sogenannten Avatar. Diese künstliche Spielfigur kann hinsichtlich ihres Aussehens, Geschlechts, verschiedener Fähigkeiten und diverser anderer Kriterien, individuell gestaltet werden. Wie Spieler ihren ganz persönlichen Avatar gestalten, diese Fragestellung verfolgte Georg Valtin im Rahmen seiner Masterarbeit, basierend auf dem Spiel „World of warcraft“. Spieler erhielten die Aufgabe einen Avatar zu schaffen, mit dem sie über einen längeren Zeitraum spielen sollten. Es stellte sich heraus, dass sich Spielanfänger anders als erfahrene Spieler verhielten. Personen die noch keine Erfahrung mit „World of Warcraft“ hatten, wählten ihren Avatar vor allem anhand dreier Kriterien aus. Die Hintergrundgeschichte, die Spielmechanik und besonders das Aussehen des Avatars waren für Spielanfänger bedeutsam. Auf die Fähigkeiten wurde kein so großer Wert gelegt. Spielneulinge gingen relativ zurückhaltend und wenig experimentierfreudig ans Werk und schufen Charaktere mit sehr menschlichen Zügen. Es wurden also Charaktere geschaffen, mit denen sich der Spieler relativ leicht identifizieren konnte. Dies spiegelte sich auch in der Auswahl des Geschlechts wider, was für die Forscher überraschend war. Spieler wählten mehrheitlich eine dem eigenen Geschlecht entsprechende Spielfigur. Frauen wollten also auch im Spiel lieber Frauen bleiben und genauso verhielt es sich bei den Männern. Wissenschaftler hatten ein sogenanntes Gender- Swapping erwartet, also die Wahl von gegengeschlechtlichen Avataren. Die Tatsache, dass Spieler einen Charakter bevorzugen, der ihnen selbst ähnlich ist, konnte auch in anderen Spielen beobachtet werden, wie beispielsweise in Sims 2. In dem Spiel geht es darum, sich um verschiedene Tiere zu kümmern, sozusagen ein virtueller Ersatz für Tierliebhaber. Auch hier wählen Spielbeginner Avatare aus, die viel mit ihnen gemein haben. Erst im Laufe der Zeit, wenn im Rahmen des Spiels mehr Erfahrungen gesammelt werden konnten, „getrauen“ sich Spieler auch außergewöhnliche Spielfiguren zu kreieren und „gestalten auch schon mal etwas ganz Verrücktes", so Valtin. Virtuelle Verhaltensweisen und Klischees Wie verhalten sich Menschen in virtuellen Welten? Werden Verhaltensweisen aus dem realen Leben auch in die künstliche Spielwelt übertragen? Georg Valtin und Daniel Pietschmann untersuchten diese Fragestellung, indem sie sich gängiger Verhaltensweisen und Klischees aus dem alltäglichen Leben bedienten. Sie schickten eine Gnomin mit sehr kindlichen Attributen in die virtuelle „World of Warcraft“, um zu eruieren, ob sich Menschen auch in der virtuellen Welt vom sogenannten Kindchenschema beeinflussen lassen. Aus der Psychologie weiß man, dass kindliche Merkmale Beschützerinstinkte beim Gegenüber wecken. Das Kindchenschema bezeichnet typische Merkmale, die bei Kleinkindern vorzufinden sind, wie ein großer Kopf, eine Stupsnase, große, rund Augen und rundliche Wangen. Der Kopf ist in Relation zum Körper deutlich größer als beim Erwachsenen. Diese kindlichen Merkmale wirken als Schlüsselreize und induzieren fürsorgliche und bekümmernde Verhaltensweisen. Auch virtuell zeigten die kindlichen Attribute ihre Wirkung. Der mit großen Kulleraugen und rosa Zöpfen ausgestatteten Gnomin, brachte ihr Aussehen bedeutsame Vorteile. Sie erhielt in 57 Prozent der gestellten Anfragen Hilfe. Vergleichsweise schickte man auch einen Nachtelf ins virtuelle Geschehen. Der männliche Elf erfuhr deutlich weniger Unterstützung, ihm halfen nur 5 Prozent der Spieler. Generell zeigen Untersuchungen, dass attraktiven weiblichen Figuren deutlich mehr geholfen wird, als unattraktiven weibliche Charakteren, oder männlichen Avataren. Offensichtlich werden nicht nur im realen Leben, sondern sogar virtuell hübsche Menschen bevorteilt. Was Frauen und mögen und Silvergamer lieben Wonach richtet sich der Spaß am Spiel und welche Zielgruppen werden erreicht? „Generell sind Casual Games das umsatzstärkste Genre der Computerspiele", sagt Prof. Dr. Peter Ohler. Besonders Frauen mögen diese Form von Spielen. Casual Games haben den Vorteil, dass sie schnell zu erlernen sind, meist nur kurze Spielepisoden umfassen und auch baldige Erfolgserlebnisse zu verzeichnen sind. Die einfache Handhabung, ohne langwierige Spielanleitungen, kommt der weiblichen Zielgruppe zugute. Frauen geben an, dass sie gar nicht die Zeit aufbringen könnten, um aufwendige und zeitintensive Spiele zu verfolgen. Vielmehr bevorzugen sie Games, die leicht zu handeln sind und vom Spieler nicht die volle Aufmerksamkeit abverlangen. Auch ältere Spieler, sogenannte Silvergamer mögen die preisgünstigeren Casual Games. Silvergamer sind Spieler ab ca.50 Jahren und stellen neben Frauen eine zweite neue Zielgruppe dar. Sie spielen häufig aus der Motivation heraus geistig und motorisch fit zu bleiben. Die fernsehgebundene Spielkonsole Wii kommt diesem Bedürfnis entgegen. Das wesentliche Merkmal der Wii ist ein neuartiger Controller. Der Controller ähnelt einer Fernbedienung, besitzt aber eingebaute Sensoren, die auf Bewegungen des Spielers reagieren und auf dem Bildschirm umgesetzt werden. So können diverse simulierte Sportarten wie Tennis, Boxen, oder Golf vor dem Fernseher ausgeübt werden. Möglicherweise animiert die Wii auch den einen oder anderen Couchpotato dazu, sich etwas in Bewegung zu setzen. Andere Wii-Spiele fördern kognitive Fähigkeiten, wie beispielsweise die „Big brain academy“, die einen Gehirn-Quiz, Gehirn-Marathon, oder Gehirn-Sprint beinhaltet. Es stehen aber auch diverse Jump`n Run Spiele für die Wii, wie Super Mario zur Verfügung. Neben der Wii, nutzen Frauen und die Generation Silvergamer auch vorzugsweise die Nintendo ds Handheldkonsole. Der Vorteil liegt vermutlich darin, dass die Konsole handlich und klein ist und überall hin mitgenommen werden kann. Auch für die Nintendo ds stehen eine Vielzahl von Spielen zur Verfügung: Tetris, Dr. Kawashima`s Gehirn-Jogging, oder mit dem Vitalcoach zur Traumfigur sind nur ein kleiner Auszug aus dem umfangreichen Sortiment. Bilanzen Computerspiele scheinen mittlerweile nicht mehr nur einem relativ jungen Publikum vorenthalten zu sein. Die Generation Silvergamer ist am Vormarsch. Der älteste in Deutschland registrierte Online-Kartenspieler ist immerhin stolze 85 Jahre alt. Auch mit dem Vorurteil, dass vor allem Männer die exzessiveren Spieler sind, wird aufgeräumt. Laut einer Studie der University of Delaware sollen Frauen teilweise sogar mehr Zeit mit PC-Spielen verbringen als Männer. Männliche Spieler sind zwar vor allem bei Online- Rollenspielen, wie World of Warcraft noch in der Überzahl, wenn Frauen aber Multiplayer Games spielen, dann betreiben sie das Hobby umso exzessiver. Im Bereich „Video-Spiele“ liegt der Frauenanteil inzwischen bei immerhin 40 Prozent. Die Studienergebnisse brachten auch hervor, dass Männer und Frauen aus unterschiedlichen Motiven heraus spielen. Männern geht es in erster Linie darum zu gewinnen, für Frauen scheinen soziale Komponenten im Vordergrund zu stehen. Aus den Forschungsergebnissen der TU Chemnitz lässt sich letztlich ableiten, dass virtuelle Rollenspiele nicht umsonst als „Second-Life-Spiele“ bezeichnet werden. Spieler übertragen Verhaltensweisen aus dem alltäglichen Leben auf virtuelle Welten und wählen häufig solche Spielfiguren aus, mit denen sie sich gut identifizieren können. An dieser Stelle soll auch auf das Suchtpotential, das „Online-Rollenspiele“ in sich bergen, hingewiesen werden. Derzeit wird die „Computerpiel-Sucht“ zwar offiziell noch nicht als psychische Störung betrachtet, dies könnte sich aber bis zum Jahr 2012 durch Revision der „Diagnosesysteme für psychische Störungen“ ändern. In China gibt es bereits jetzt Maßnahmen, um der Suchtgefahr entgegenzuwirken. In World of Warcraft wird der Spieler nach drei Stunden Spielzeit für erfüllte Missionen deutlich weniger entlohnt, er erhält weniger Erfahrungspunkte, oder andere Belohnungen wie Geld, Rüstungsutensilien, etc. Nach fünf Stunden werden die Belohnungen schließlich auf ein absolutes Minimum reduziert. Erst nach einer fünfstündigen Pause, in der der Spieler nicht eingeloggt war, wird er auf den normalen Status zurückgesetzt. Seit 2005 besteht für Eltern das Spiel „World of Warcraft“ betreffend, die Möglichkeit die Spielzeiten ihrer Kinder zu regeln. Für den entsprechenden Account können fixe Uhrzeiten, beziehungsweise eine Gesamtspielzeit festgelegt werden.Quelle: Elsevier Unser Kommentar: : Worin liegt die Faszination von Computerspielen und warum finden immer mehr Menschen Gefallen an dieser Form der Freizeitgestaltung? Generell kann das Hobby bequem von zu Hause ausgeübt werden und ist jederzeit ohne großen Aufwand zugänglich. Die Motivation zu spielen, unterscheidet sich vermutlich je nach Art des Computerspieles. Casual Games sind der kleine „Entspannungssnack“ für zwischendurch: Kurz mal dem Alltag entfliehen und ein paar Moorhühner jagen, sich ablenken und den Kopf frei machen, einfach Spaß haben und kleine Erfolgserlebnisse verzeichnen, oder sich auch über Misserfolge ärgern und Dampf ablassen. Online-Rollenspiele haben einen anderen Reiz. Spieler können in eine andere Welt ein- und abtauchen und in verschiedene Rollen und Charaktere hineinschlüpfen. Jeder kann in dieser Welt einmal einen Helden mimen, jeder kann attraktiv und schön sein, oder sich in einer anderen Geschlechterrolle ausprobieren. Es kann verschiedenen Bedürfnissen nachgegangen werden, wie sich mit anderen zu messen, oder soziale Kontakte zu knüpfen, unabhängig vom Aussehen, von Berührungsängsten, oder dem Schüchternheitsgrad einer Person. Es versteht sich von selbst, dass virtuelle Kontakte kein Ersatz für „echte zwischenmenschliche Begegnungen“ sind, wo wir neben dem Spielespass auch bei den Schattenseiten von PC-Spielen angelangt wären. Da wären neben dem erwähnten Suchtpotential, auch die häufig aufgegriffenen Problematiken wie soziale Isolation, oder die Gewaltverherrlichung von Ego-Shooter-Spielen zu nennen. Dies sind in jedem Fall nicht zu vernachlässigende und ernst zu nehmende Themen, die auch künftig aktuell und wichtig bleiben werden. Dennoch ist es erfreulich, dass Wissenschaftler auch andere interessante Forschungsfragen rund um das Thema Computerspiele aufgreifen und sich nicht, wie so häufig alleine auf negative Aspekte konzentrieren. Simone Georgieva/Zentrum Rodaun
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Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie in unseren Beiträgen Second Life: Modedroge oder Forschungslabor?
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