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Das "erste Mal" ist erst der Anfang

von Birgit Oberwalder

 

Im Auftrag der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF) wurden Jugendliche über ihre Sexualität und ihr Kontrazeptionsverhalten befragt. Hintergrund der Studie war es, einen Überblick über die Jugendsexualität zu erhalten, um eine Grundlage für effiziente sexualpädagogische Arbeit zu erhalten

 

In ihrer Studie zur Sexualität der Jugendlichen schreiben die AutorInnen Bettina Weidinger, Wolfgang Kostenwein und Gabriele Drunecky, dass die ÖGF die Verbreitung von Information, die Sexualität, sexuelle Gesundheit, Partnerschaft, Verhütung und Vermeidung unerwünschter Schwangerschaften und Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten betreffen, speziell für Jugendliche als ihre wichtigsten Ziele betrachtet. Um effektive sexualpädagogische Arbeit und adäquate Beratungsangebote bieten zu können, bedarf es an Information über die aktuelle Jugendsexualität und das Kontrazeptionsverhalten (Verhütung). Gleich vorweg halten die AutorInnen fest, dass Studien gezeigt haben, dass aufgeklärte und informierte Jugendliche eher bereit sind, den Beginn ihrer sexuellen Aktivitäten hinauszuschieben, weniger Sexualpartner haben und auch vermehrt Verhütungsmittel verwenden. Auch gehen sie weniger sexuelle Risiken ein (Bsp.: Kondomverwendung). Außerdem sind sie eigenverantwortlicher in ihren Entscheidungen und somit besser in der Lage „Nein“ zu sagen, wenn sie keinen Sex wollen.

Die Studie

Für diese Studie wurden 1044 Jugendliche (Großteil aus Wien und Umgebung) zu Themen wie Aufklärung, Sexualverhalten und Kontrazeption befragt. Dabei füllten 694 Mädchen und 350 Buschen einen Fragebogen in schriftlicher Form bzw. über das Internetportal „rbx.at“ aus. Der Fragebogen ist gegliedert in personenbezogene Fragen und Sozialisationsbedingungen (Alter, Geschlecht, Eltern, …), Fragen zur Aufklärung (Selbsteinschätzung), Fragen zu körperlichen Veränderungen, Sexualverhalten und Verhütung (Einstellung dazu), sowie Fragen nach dem moralischen Hintergrund.

Blumen und Bienen

Das Erwachsenwerden wird mit der sexuellen Reife festgesetzt - also wenn Mädchen die erste Regelblutung bekommen bzw. Jungen ihren ersten Samenerguss haben. Dieser Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt erleben Mädchen anders als Jungen. So finden 36% der Jungen den ersten Samenerguss als etwas Normales und Natürliches und 20% der Mädchen empfanden ihre erste Blutung als normal und natürlich. Für nur 2% der Jungen war der erste Samenerguss unangenehm, aber 25% der Mädchen erlebten die erste Regelblutung als unangenehm. Wichtig dabei ist die Tatsache, dass Mädchen, die sich völlig unvorbereitet bei der ersten Blutung fühlten, auch heute noch ihre Menstruation als deutlich unangenehm und lästig empfinden.

Dass der Background (Familienkonstellation, religiöse Wertigkeit, ..) eine wichtige Rolle in der sexuellen Einstellung der Jugendlichen spielt, zeigt sich unter anderem bei der Thematik rund um Masturbation. Jungen haben eine positivere Einstellung zur Selbstbefriedigung, wobei die Mädchen mit zunehmendem Alter auch offener dafür werden (allerdings wird die Einschätzung der Burschen bei weitem nicht erreicht). Besonders Mädchen mit islamischem oder orthodoxem familiären Hintergrund bewerten Masturbation negativer als alle andern Jugendlichen.

Aus Spaß wird Ernst…

 Zärtlichkeiten werden mehrheitlich bereits unter 14 Jahren ausgetauscht. So haben etwa vier von fünf Jugendlichen bereits vor dem 14. Lebensjahr das erste Mal geküsst oder mit jemandem geschmust.

Unter Berücksichtigung auswertungstechnischer Fehlerquellen, kamen die AutorInnen zu dem Ergebnis, dass die Hälfte aller Jugendlicher mit ca. 16 Jahren ihr erstes Mal hinter sich und die andere Hälfte erst vor sich haben. Das Alter beim ersten Mal, so die AutorInnen, hat sich in den letzten zehn Jahren kaum geändert. Was aber vor allem interessierte, war die Frage nach dem Warum. Als häufigste Gründe, noch nicht miteinander schlafen zu wollen, nennen die Befragten, noch nicht den Richtigen gefunden zu haben oder einander noch nicht genügend lange zukennen. Mädchen haben zusätzlich oft die Sorge, ausgenutzt zu werden oder zu jung zu sein, aber auch die Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft lässt sie noch warten.

Der Feststellung, dass Verhüten keine reine Frauensache ist, stimmen sowohl Mädchen als auch Burschen zu. Allerdings können Mädchen mehr Verhütungsmittel nennen als ihre männlichen Kollegen, aber durch die unmittelbare Betroffenheit der Mädchen ergibt sich für sie eine höhere Verantwortlichkeit. Auch wenn jüngere Jugendliche beim ersten Mal weniger auf Verhütung achten als ältere, so gibt nur jede/r Zehnte an, gar nicht oder nur durch „Aufpassen“ verhütet zu haben. Dauert die Beziehung an, weicht das Kondom als Verhütungsmittel der Pille.

Quellen der Aufklärung

Die befragten Jugendlichen gaben (bis auf 5%) an, sich selbst als aufgeklärt bzw. ausreichend aufgeklärt einzuschätzen, wobei verständlicherweise mit dem ansteigenden Alter auch die Aufklärungsrate steigt. Allerdings zeigt sich hier wieder der kulturelle Hintergrund. So geben Jugendliche aus islamischen Familien an, sich weniger aufgeklärt einzuschätzen, im Vergleich zu den anderen. Geprüft nach dem tatsächlichen Wissen, ergibt sich allerdings ein anderes Bild. So wissen zum Beispiel lediglich 20% der Jugendlichen den richtigen Zeitpunkt der fruchtbaren Tage. So stellen die AutorInnen die Vermutung an, dass Jugendliche mit islamischen Hintergrund im Verglich zu anderen Jugendlichen eine realistischere Einschätzung ihres Wissensstandes aufweisen.

Fragt man die Jugendlichen nach den Quellen ihres Wissens, so wird am häufigsten das Gespräch (für 75% mit dem Freundeskreis) genannt. Allerdings spielen die medialen Bezugsquellen (Zeitschriften, Fernsehen und Pornos) eine noch bedeutendere Rolle in der sexuellen Aufklärung. Hierbei zeigt sich ein Geschlechtsunterschied insofern, dass Mädchen eher zu gedruckten Formen wie Zeitschriften, Broschüren oder Bücher greifen und Jungen hingegen bis zu zwanzigmal häufiger ihre sexuellen Informationen aus Pornos beziehen. Nicht zuletzt wird mit dem Alter auch das eigene Ausprobieren zu einer wichtigen Informationsquelle.

Problematisch an der medialen Quelle ist die geringe Realitätsnähe. Vor allem in Pornos wird ein Bild von Sexualität vermittelt, das eine gewisse Intensität (z. B. Orgasmus), Dauer und Praktik vorschreibt und gleichzeitig werden wichtige Fragen wie emotionale Auseinandersetzung innerhalb der Beziehung, Konflikte, Ängste in Bezug auf sexuelle Attraktivität und Leistungsfähigkeit, Fragen bezüglich Verhütung, Verunsicherung durch Äußerungen anderer, etc. nicht behandelt. So versuchen die Jugendlichen einem medial vermittelten Bild zu entsprechen und können sich aber oft bei schwierigen Defiziten oder Ängsten an niemanden wenden -  oft auch nicht an den eigenen Freundeskreis.

Quelle: ÖGF

 

 

Unser Kommentar: Wer mit wem seit wann und wo und überhaupt – wie? Die Sexualität ist ein gutgehütetes Geheimnis, das zu entdecken man als Pubertierender strebt. Aber Achtung! Nicht immer ist drinnen, was drauf steht. In Zeiten uneingeschränkter Kommunikationsmöglichkeiten, höchster Mobilität und Weltoffenheit, hat sich zwar einiges getan bei der Aufklärung Jugendlicher (und wohl auch älterer Semester), aber noch immer schwirren viel zu viele Gerüchte durch die Pausenhöfe und plagen sich zu viele liebesgepeinigte Teenager mit Fragen und Ängsten rund um Sexualität. Was der Kumpel erzählt klingt recht aufregend, aber selbst bringt man das nicht auf die Reihe. Und was man da alles im Porno zu sehen bekommt, wer soll denn das schaffen? Da klappt ja alles wie nach Drehbuch (nona). Das Leben und die zwischenmenschlichen Beziehungen gestalten sich aber bedeutend schwieriger. Es ist daher unbedingt notwendig, aktive Aufklärung zu betreiben. Ansprechpersonen/Einrichtungen mit dem richtigen Knowhow müssen Jugendlichen zur Verfügung stehen und richtige Information muss auch medial zugänglich gemacht werden (nicht jeder mag gleich „darüber sprechen“). Die AutorInnen stellen treffend fest, dass die Aufklärungsquellen, wie Porno etc. einfach nur zu verteufeln, wenig hilfreich ist und lediglich eine Reaktanz der Jugendlichen fördert. Schließlich geht es darum, Jugendliche als das was sie sind zu akzeptieren und ihnen eine attraktive Alternative als Zugang zu Informationen und Beratung zu gewähren. Denn was die Quintessenz dieser ganzen Studie meines Erachtens ist, ist die hohe Bereitschaft der Jugendlichen, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzten und ihr Verlangen nach mehr Information (ganze 84%!). Ich meine wohl, dass es ihr gutes Recht ist, die richtigen Antworten auf ihre wichtigen Fragen zu erhalten.

Birgit Oberwalder/Zentrum Rodaun

 

 Links:

Österreichische Gesellschaft für Familienplanung ÖGF (mit empfehlenswerten weiterführenden links)

Jugendinfo "Liebe-Sex-Aufklärung"


Literaturtipps:

Sabine Thor-Wiedemann und Beate Fahrnländer: Liebe, Sex & Co: Das Aufklärungsbuch für Jugendliche. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Sylvia Schneider: Das Mädchen-Fragebuch: Wachsen und erwachsen werden. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Sylvia Schneider: Das Jungen-Fragebuch. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Jan-Uwe Rogge: Pubertät: Loslassen und Haltgeben. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!


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