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Krankhafte Fixierung auf gesundes Essen

 

Nach Bulimie und Magersucht ist eine weitere Form der Essstörung im Vormarsch: "Orthorexia nervosa"

 

Es gibt immer mehr Menschen, die aus übertriebener Sorge um die "gesunde Ernährung" zu so genannten "krankhaften Gesundessern" werden. Die Psychologie hat inzwischen schon eine Bezeichnung für diese Form der Essstörung: "Orthorexia nervosa", also das pathologische Bemühen, bei der Nahrungsaufnahme alles "richtig" (griechisch: "ortho") zu machen. "Die Angst vor Krankheit durchs Essen lässt die Leute krank werden", formulierte es der Wiener Sozialmediziner Michael Kunze.

Vor allem bei Frauen und bei Angehörigen der höheren Bildungsschichten, die sich intensiv über Fragen der Gesundheit informieren, zeigt sich zunehmend das Problem einer "übertriebenen Fixierung auf gesunde Nahrungsmittel", wie die Ärzte es ausdrücken. "Solche Menschen sind extrem darauf bedacht, sich möglichst gesund zu ernähren", erläuterte Kunze, "auf diese Weise entstehen völlig unbegründete Ängste vor den Nahrungsmitteln". Essen werde nur mehr "verengt unter dem Blickwinkel der Gesundheit" gesehen, "und isst jemand einmal etwas anderes, hat er sofort ein schlechtes Gewissen", so der Sozialmediziner.

Der "krankhafte Gesundesser" ist darauf fixiert, bei jeder Speise vorerst genau zu überlegen und nach Möglichkeit zu "berechnen", wie viele Spurenelemente, Vitamine und dergleichen er aufnimmt beziehungsweise, was ihm in dieser Hinsicht fehlt. "Jede Nahrungsaufnahme wird sorgfältig unter dem Gesichtspunkt der Gesundheit geplant, allein das nimmt dem Menschen schon jede Freude und jeden Genuss", warnte Kunze. Ganz absehen davon, dass das Essen ja auch einen sozialen Aspekt habe, der ebenfalls von der Angst um die Gesundheit überlagert werde.
Der Beginn der "Orthorexia nervosa" sei meist der Vorsatz, "schlechte" Ernährungsgewohnheiten abzulegen, "nicht selten folgt ein sehr einseitiges Essverhalten und dieses führt erst recht zu Mangelerscheinungen und zu Erkrankungen", erläuterte Kunze. In der Fachliteratur wird die neue "Orthorexia nervosa" auf eine Ebene mit bekannten Essstörungen wie der Bulimie (Ess-/Brechsucht) oder der "Anorexia nervosa" (Magersucht) gestellt. Während sich allerdings Patienten mit den beiden letztgenannten Störungen auf die Quantität des Essens konzentrieren, sind die "krankhaften Gesundesser" auf die Qualität der Nahrung fixiert.

Kunzes Resümee: "Grundsätzlich gibt es keine gesunden oder ungesunden Lebensmittel - es kommt immer nur auf die Auswahl, die Zusammensetzung und die Menge der Ernährung an".

Quelle: APA

 

Unser Kommentar: Grundsätzlich ist Kunzes Anmerkungen zuzustimmen; wenn auch an der Aussage, dass es keine ungesunden Lebensmittel gebe, gezweifelt werden darf. Zu unterstreichen ist jedoch der Ansatz, dass es in jedem Fall unbedingt zu fördern ist, dass Menschen einen unkomplizierten und "unverbildeten" Zugang zu ihrer Ernährung entwickeln. Kinder zeigen diesen Zugang häufig - wenn man sie lässt. Im spontanen Ernährungsverhalten und der Nahrungsmenge, die sie zu sich nehmen, zeigen Kinder oft mehr oder weniger starke Schwankungen, die Abbild ihrer momentanen Bedürfnislage sind. Über einen gewissen Zeitraum betrachtet, gleicht sich das oft wieder aus. "Iss was, das was wird aus dir" oder "Stopf nicht so in dich hinein" könnten diese Regelmechanismen auf die Dauer aus dem Gleichgewicht bringen. Und dieses Verhalten kann sich auch tradieren: Eltern, die ihren natürlichen Zugang zum Essen verloren haben, werden Schwierigkeiten haben, ihren Kindern einen natürlichen Zugang zum Essen zu vermitteln oder diesen zu gestatten, so wichtig das auch wäre. Das soll aber auch die Bedeutung von Ernährungs- und Gesundheitsbewusstsein nicht schmälern. Und Spass machen sollte Essen auch noch. Essen, eine der natürlichsten Sachen der Welt, kann auch ganz schön kompliziert (gemacht) werden....

G. Kral/Zentrum Rodaun

 

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